Ein Seilbahngesetz für Berlin:Berge, Bahnen und Giganten

Lesezeit: 1 min

Berge gibt es in Berlin zwar keine richtigen, dafür aber ein Seilbahngesetz. Dass es soweit gekommen, daran kann nur einer die Schuld tragen: die EU.

Von Kristina Läsker

Wer Berlin für komplettes Flachland hält, der irrt. Zwar steht der Reichstag auf Normalnull, doch im Westen auf dem Kreuzberg (66 Meter) wie im Osten auf dem Prenzlauer Berg (91 Meter) hebt sich die Erde in die Höhe.

Bisher ist allerdings niemand auf die Idee gekommen, diese Anhebungen anders als zu Fuß, per Fahrrad oder im Auto zu erklimmen. Zumindest von Gesetzes wegen darf sich das nun ändern.

Dazu hat der Berliner Senat ein Landesseilbahngesetz erlassen. Auf 28 Seiten regelt es Bau und Betrieb von Sesselliften und Gondelbahnen. Doch obwohl es derlei alpine Beförderung in der Hauptstadt noch nicht gibt, blieb den Berlinern keine Wahl. Sie hatten eine Klage der Europäischen Union (EU) im Nacken.

Der Hintergrund: Schon im März 2000 hatten EU-Rat und Parlament die Richtlinie 2000/9/EG über Seilbahnen im Personennahverkehr verabschiedet und den Mitgliedsstaaten vorgeschrieben, sie in nationales Recht umzusetzen. Spätester Zeitpunkt: 3. Mai 2002.

Zuständig waren die Bundesländer, doch das gondellose Berlin weigerte sich drei Jahre lang, die "kuriose Richtlinie" in ein gültiges Gesetz zu gießen.

Die EU-Politiker ließen indes nicht locker. Die Richtlinie sorge "für einen harmonisierten Binnenmarkt für Seilbahnanlagen". Ziel sei ein "einheitlicher Sicherheitsstandard".

Die Höhenlage der Orte spielt dabei keine Rolle: Die Richtlinie sei auch dort umzusetzen, wo "es im Augenblick keine Seilbahnen gibt und in absehbarer Zeit auch nicht geben wird".

Als die Flachländer sich stur stellten, verklagte die Europäische Kommission die Bundesrepublik vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Vertragsverletzung. Angesichts der drohenden Strafe bis zu 791000 Euro war man in der Hauptstadt dann schnell bereit, ein Gesetz zu erlassen - auch wenn dies zunächst für niemanden gilt.

Berlin habe bei der desolaten Finanzlage kein Geld zu verschwenden, erklärte Senatssprecher Michael Donnermeyer.

Geschickter agierte das Nachbarland Brandenburg. Es integrierte die Seilbahnvorschriften im September kurzerhand in die bestehende Bauordnung.

Grundlage für die nordischen Sessellift- und Gondelgesetze sind die Vorschriften für die Skigebiete in Bayern und Baden-Württemberg. Das dürfte auch für den Prenzlauer Berg genügen.

© SZ vom 4.12.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: