Ein Anruf bei ...:Klaus-Berndt Nickel, Ameisenumsiedler mit Nachwuchssorgen

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Menschen, die sich um Ameisen kümmern, sind selten, beklagt Klaus-Berndt Nickel. Dabei wäre es doch wichtig, Ameisen zu helfen, wenn sie umziehen müssen, nicht wahr?

Interview von Michaela Schwinn

Sie können das 45-Fache ihres Körpergewichts stemmen, bauen mehrere Meter hohe Hügel und decken diese sogar ab, wenn es regnet. Super Tiere, diese Ameisen! Trotzdem müssen sie oft Platz machen vor neuen Straßen oder Gasleitungen. Den Umzug organisieren dann sogenannte Ameisenumsiedler. Viele gibt es nicht. Der Präsident der Ameisenschutzwarte in Deutschland sorgt sich derzeit um Nachwuchs.

Herr Nickel, Sie sind Fan von Bienen und Ameisen. Offensichtlich lieben Sie den Nervenkitzel.

Ist es schwül, dann können Bienen schon ein wenig atzelig werden. Aber wenn es sanftmütige sind, dann geht das. Ameisen sind sowieso harmlos.

Auch wenn Sie ihnen ihr Zuhause wegnehmen?

Wir nehmen ihnen ihr Nest ja nicht weg, sondern versetzen es nur. Wenn ein Windpark oder eine neue Straße gebaut werden soll, sind sie oft im Weg. Waldameisen stehen im Gegensatz zu normalen Ameisen im Garten unter Artenschutz, deswegen siedeln wir Ameisenheger sie um.

Fleißig und dem Klischee entsprechend: arbeitende Blattschneiderameisen. Doch nicht alle Ameisenarten fallen durch emsige Umtriebigkeit auf. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Ameisenheger?

Nicht jeder darf Ameisennester versetzen. Es gibt eine spezielle Ausbildung. Dabei lernt man, welche Arten es gibt, wie man den Bau pflegt und sie richtig umsiedelt.

Und wie geht das richtig? Tier für Tier würde ja wohl zu lange dauern.

Nein, nein. Wir beginnen am Rand des Baus und schaufeln das Material mit den Ameisen in Plastikkübel oder Säcke. Dann arbeiten wir uns bis zur Mitte des Nestkerns vor. Dort sind die Kammern der Königinnen. Sie müssen natürlich mit, denn ohne sie ist der Staat nicht existenzfähig.

Der Ameisenadel muss dann zum Volk in den Plastikkübel?

Nein, die Königinnen kommen in ein Extra-Glas. Wir bringen sie und den restlichen Staat dann an eine neue Stelle, wo es viele Fichten, Lärchen und Eichen gibt, denn den Honigtau von Blattläusen fressen sie besonders gern. Am Schluss streuen wir zwei Packungen Haushaltszucker um das Nest.

Als kleines Dankeschön?

Eher dafür, dass sie erst einmal nicht auf Futtersuche gehen müssen, sie haben ja genug damit zu tun, ihr Nest wieder aufzubauen. Und dabei sind sie ziemlich flink, innerhalb eines Tages stellen sie alles um.

Und jetzt haben Sie Nachwuchsmangel, bei den Ameisen-Umzugshelfern.

Ja, das stimmt schon. Früher sind wir mit mehreren Ameisenhegern zu den Einsätzen gefahren. Heute sind die Umsiedlungen oft unter der Woche, niemand kann sich offenbar mehr so einfach Urlaub nehmen.

Das hört man oft, in Sachen Ehrenamt.

Ja, genau. Und viele wollen ihr Wochenende nicht für so etwas opfern. Immerhin dauert es zehn Stunden, bis ein ganzer Staat ein neues Zuhause hat.

Woher nehmen Sie denn die Zeit? 22 Nester haben Sie dieses Jahr bereits umgesiedelt.

Ich bin Frührentner. Deswegen kann ich auch unter der Woche zu Einsätzen. Ich gehe auch in Schulklassen und gebe Führungen durch den Wald.

Um neue Ameisenheger zu rekrutieren?

Nicht nur. Es ist mir auch wichtig, Menschen zu erklären, dass Ameisen ein wichtiger Teil des Ökosystems sind. Aber tatsächlich gibt es immer wieder Teilnehmer, die dann bei den Ameisen hängen bleiben.

© SZ vom 08.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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