Ein Anruf bei. . .:Josef Kurz, Diktatoren-Verkäufer

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Beim Potsdamer Online-Auktionshaus Auktionspunkt kann man derzeit osteuropäische Diktatoren-Statuen ersteigern. Nachfrage bei dem Mann, der Lenin, Stalin und andere loswerden will.

Interview von  Titus Arnu

Beim Potsdamer Online-Auktionshaus "Auktionspunkt" kann man derzeit Bio-Sport-Unterwäsche (10 000 Stück) ersteigern - oder osteuropäische Diktatoren. Im Angebot ab kommendem Samstag: Wladimir Iljitsch Lenin (Granit, zwölf Meter hoch), Josef Stalin (Sandstein), Klement Gottwald (Bronze) und andere Statuen ehemaliger sozialistischer Machthaber. Noch stehen die monumentalen Figuren aus der Zeit vor dem Zusammenbruch des Ostblocks zwischen Grabsteinen auf dem Hof von Steinmetz Josef Kurz in Gundelfingen.

SZ: Herr Kurz, wie kamen Sie zu dieser Diktatoren-Sammlung?

Kurz: Das habe ich meinem Vater zu verdanken, Josef Kurz senior. Er war 1990 in der damaligen Tschechoslowakei unterwegs, auf der Suche nach einem bestimmten Granit. In Rýmařov bot der Bürgermeister ihm eine Stalin-Statue an, die in einer Scheune herumlag. Kaufen wollte mein Vater sie nicht, aber gegen Sachspenden an das dortige Krankenhaus bekam er sie. Viele Zeitungen berichteten darüber, und danach kamen Anfragen aus ganz Osteuropa, ob mein Vater nicht noch mehr Statuen von Stalin, Lenin und anderen Leuten haben wollte, die politisch aus der Mode gekommen waren.

Und, wollte er?

Ja, er gab vielen von denen Asyl, ob Stalin, Gottwald oder Lenin. So sammelten sich immer mehr Diktatoren bei uns an.

Wie fand man das in Gundelfingen?

Von dem Anblick war keiner so richtig begeistert. Mein Vater wollte einen Skulpturenpark schaffen, aber das wäre nie genehmigt worden. Unser Nachbar war der damalige SPD-Bürgermeister, er war strikt dagegen. Mein Vater stand immer der CSU nahe und war Unternehmer, aber man hat ihm wegen der Statuen ernsthaft unterstellt, er sympathisiere mit den Kommunisten. Er sammelte die Figuren aber bestimmt nicht aus politischen Gründen.

Warum sammelte er sie dann?

Er wollte, dass sie nicht zerstört werden. Wäre ja auch schade drum gewesen. Die meisten sind handwerklich gut gemacht. Da haben Leute jahrelang dran rumgehämmert!

Nun wollen Sie die Statuen aber trotzdem los werden.

Mein Vater ist schon vor einigen Jahren gestorben, und die Statuen stehen seit 25 Jahren bei uns rum. Eine haben wir an das Haus der Geschichte in Bonn verkauft. Aber alle Versuche, die restlichen irgendwo auszustellen, schlugen fehl.

Wer hat heutzutage noch Interesse an solchen Monumenten? Museen?

Für Museen sind viele der Objekte nicht geeignet, denn sie sind zu groß. Vielleicht gibt es reiche Asiaten oder Russen, die diese Art von Kunst sammeln. Oder man hat einen persönlichen Bezug dazu.

Welchen persönlichen Bezug?

Einmal hat uns ein alter Mann aus Tschechien in Gundelfingen besucht, der Stalin wiedersehen wollte. Sie müssen wissen, dem Stalin fehlt ein Stück von der Nase. Der Mann erzählte uns, er habe vor vielen Jahren Stalin die Nase abgeschlagen, aus einer Sauflaune heraus. Dafür saß er dann angeblich zwei Jahre im Knast. Er stieg auf der Leiter hoch und sagte Stalin ins Gesicht: ,Jetzt hab' ich dich also doch noch besiegt.'

© SZ vom 13.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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