"Durchgeknallter Staatsanwalt":Zeit-Herausgeber muss 9000 Euro zahlen

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Als solchen hatte Naumann Hansjürgen Karge in einer Talkshow bezeichnet, in der es um die Ermittlungen der Berliner Behörde gegen Michel Friedman ging.

Von Markus Jauer

Am Ende seines Plädoyers sagte Nicolas Becker, Anwalt des Zeit-Herausgebers Michael Naumann, die Richterin solle sich nicht scheuen, Naumann vom Vorwurf der Beleidigung freizusprechen. Tue sie dies, heiße das nicht, sie sei der Meinung, der Berliner Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge sei ein "durchgeknallter Staatsanwalt".

Als solchen hatte ihn Naumann in einer Talkshow bezeichnet, in der es um die Ermittlungen der Berliner Behörde gegen Michel Friedman ging. Naumann hatte kritisiert, dass Details an die Presse gelangt waren und vermutete darin das Werk eines "durchgeknallten Staatsanwalts", der in Berlin einen "außerordentlich schlechten Ruf" habe. Karge, der sich in dieser Beschreibung offenbar wiedererkannte, stellte Strafanzeige. Und das Amtsgericht Tiergarten stellte den Strafbefehl über 9000 Euro aus, den Naumann nicht akzeptierte. So traf man sich vor Gericht und eine Amtsrichterin, die sonst Einbrecher und Schläger verurteilt, musste nun die Grenzen der Meinungsfreiheit definieren.

Naumanns Anwälte stellten Anträge, die beweisen sollten, was der in der Talkshow nur vermutet hatte - dass Karges Behörde die Details gestreut hatte. Die Richterin lehnte die Anträge ab. Es ginge doch um das Wort "durchgeknallt", sagte sie. "Und das meint doch irre, oder?" Der Staatsanwalt sagte, er habe sich gewünscht, Naumann hätte sich entschuldigt, die Strafe akzeptiert und sich einsichtig gezeigt. Da er das nicht getan habe, plädiere er dafür, den Strafbefehl auf 10500 Euro zu erhöhen. Danach forderte Naumanns Anwalt Freispruch, was ja nicht bedeute, dass Karge durchgeknallt sei. Nur, dass man das über ihn sagen dürfe - als freie Meinungsäußerung.

Die Richterin war anderer Meinung. Sie verurteilte Naumann wegen Beleidigung zu 9000 Euro Geldstrafe. Dieser will das Urteil nicht akzeptieren und kündigte Rechtsmittel an.

© SZ v. 29.1.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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