Düsseldorf:Mörder schwänzte Haftantritt - verhaftet

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Ein 49-Jähriger hielt die Polizei tagelang in Atem. Er wurde für den Mord an sechs Menschen verurteilt, dennoch kam er nach seinem Prozess zunächst auf freien Fuß.

Er hat Menschenleben auf dem Gewissen: Aus Habgier ließ er sein Mietshaus in der Düsseldorfer Krahestraße von einem Komplizen in die Luft sprengen, sechs Mieter starben in den Trümmern. Am Dienstag sollte der 49-jährige Heinz N. dafür nun eine lebenslange Haftstrafe antreten. Doch der Mann erschien nicht wie verlangt am Gefängnistor.

Heinz N. bei einer Verhandlung im März 2008: Tagelang untergetaucht. (Foto: Foto: dpa)

Tagelang sucht die Polizei nach ihm, von einem Skandal war die Rede. An seiner Meldeadresse war N. bei der Suche nicht angetroffen worden. Zeugen erklärten, dass er dort schon seit Jahren nicht mehr wohne. Zwischenzeitlich hatte die Behörde auch einen Suizid nicht ausgeschloßen.

Am Freitagmorgen aber meldete die Polizei, der sechsfache Mörder sei nun in Haft. Ein Sprecher der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft teilte mit, der Mann sei am Vorabend in Marburg gefasst worden. Einzelheiten sollen am Vormittag bekanntgegeben werden.

Warum aber saß der Mann nicht längst im Gefängnis? Auch Experten zeigten sich in den vergangenen Tagen verblüfft davon . "Es ist ungewöhnlich, dass jemand zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und nicht sofort in Haft genommen wird", sagt der Strafrechtler Holm Putzke von der Bochumer Ruhr-Universität. "Normalerweise werden solche Täter noch im Gerichtssaal verhaftet."

Doch der Fall Krahestraße hat eine besondere Vorgeschichte: Bereits kurz nach der Tat kam der 49-jährige Hausbesitzer 1997 in Untersuchungshaft - und blieb dort für acht Jahre, ohne rechtskräftig verurteilt zu sein. Das sei unrechtmäßig, urteilte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2005 und ordnete die Freilassung an. "Über ein solches Urteil kann man sich schlecht hinwegsetzen", sagt Reiner Lindemann, Vorsitzender des Deutschen Richterbund in Nordrhein-Westfalen.

"Eine Farce"

Die Folge: Das Landgericht Duisburg verurteilte den Angeklagten im März 2008 zwar schließlich zu lebenslänglich, verzichtete aber bis zur Rechtskraft des Urteils auf einen weiteren Haftbefehl. Eine Fluchtgefahr wurde nicht gesehen, da der 49-Jährige bis dahin freiwillig zu allen Gerichtsterminen erschienen war.

Für eine dauerhafte Überwachung des Mörders nach seiner Verurteilung gab es keine Rechtsgrundlage. "Von ihm geht keine weitere Bedrohung für andere Menschen aus. Es droht ja nicht die Gefahr, dass er weitere Menschen umbringt", vermutet Strafrechtler Putzke.

Dennoch hätten die Behörden damit rechnen müssen, dass der sechsfache Mörder verschwindet, meint Rechtsanwältin Leonora Holling. Sie vertrat im Prozess den Angehörigen eines Opfers. "Dass er sich nicht gestellt hat, erstaunt mich nicht. Man hätte genauer untersuchen müssen, ob Fluchtpläne bestehen. Das Ganze ist eine Farce", kritisiert sie. Für die Angehörigen der Opfer sind die aktuellen Ereignisse auf jeden Fall ein Schock. "Bei ihnen erzeugt es ein Gefühl von Schmerz, wenn ein solcher Mann nicht sofort ins Gefängnis kommt", sagt Jörg Beck von der Opferschutz-Organisation Weißer Ring. "Da verzweifelt der eine oder andere sicherlich an unserem Rechtssystem."

© sueddeutsche.de/dpa/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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