Doisneau-Foto:Ein Kuss von ständig steigendem Wert

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Kaum ein Foto versinnbildlicht das Klischee von Paris als "Stadt der Liebe" besser als der "Kuss am Rathaus". Nun will die Geküsste den Erstabzug des Fotos versilbern. Mindestgebot: 15.000 Euro.

Seit 1950 zeigte der Schnappschuss "Baiser de l'Hôtel de Ville" (Kuss am Rathaus) für Millionen Betrachter weltweit ein anonymes Pariser Liebespaar, schlicht und ergreifend.

Francoise Bornet mit einer Reproduktion des "Baiser de l'Hôtel de Ville" im April 2005 am Original-Schauplatz. (Foto: Foto: AP)

Erst vier Jahrzehnte später wurde publik, dass es sich gar nicht um ein Zufallsprodukt handelte, sondern der Fotograf Robert Doisneau das Paar angeheuert hatte.

Mit 75 Jahren will sich die Geküsste, Françoise Bornet, nun von ihrer "großen Liebe" trennen. Ihr 18 mal 24,6 Zentimeter großer Erstabzug wird am Freitag beim Pariser Auktionshaus Artcurial ausgestellt und am Montag versteigert, Mindestgebot 15.000 Euro.

Die Idee zum Foto entstand einst in der Redaktion des US-Magazins Life, das bei Doisneau eine Reportage über das Pariser Liebesleben in Auftrag gab.

Bezaubernde Francoise

Von einer Café-Terrasse in der Nähe des Invalidendoms aus observierte der junge Fotograf die Vorbeigehenden. Die bezaubernde Françoise, eine angehende Bühnenschauspielerin, flanierte vorbei; an ihrer Seite der gleichaltrige Jacques Carteaud, Schauspielschüler auch er.

Sie küssten sich wirklich, doch diesen Kuss fing Doisneau nicht gleich ein. Vielmehr bat er die Liebenden, das fotogene Geturtel für seine Zwecke vor der hellen Fassade des Rathauses nahe der Kathedrale Notre Dame nachzustellen. Das Foto wurde zum Sinnbild des positiven Klischees von Paris als "Stadt der Liebe".

"Er hat fünf oder sechs Posen aufgenommen", erinnert sich Bornet heute an den Termin mit Doisneau. "Es dauerte ungefähr einen halben Tag." Die Liebenden kostete es nicht viel Mühe - sie blieben rund neun Monate lang ein Paar.

Erfolgsgeschichte sondersgleichen

Für den Fotografen wurde das "Kuss"-Foto zu einer Erfolgsgeschichte sondergleichen. Nach Riesenauflagen als Postkarte kam 1986 das "Kuss"-Poster auf den Markt. So trat es den zweiten Siegeszug um die Welt an und wurde mehr als 400.000 Mal verkauft.

Bornet hat nicht den geringsten Zweifel, dass ihr Kuss heute zum Kulturerbe der Menschheit gehört. Soeben wurde das Motiv im Großformat für die Kampagne "Liebe zu den Spielen" wiederaufgelegt, mit denen Paris sich um die Austragung der Olympischen Sommerspiele 2012 bewirbt.

Um das "Kuss"-Foto hat es auch schon mächtig Streit gegeben. Die Eheleute Jean und Denise Lavergne behaupteten 1992 im französischen Fernsehen, sie seien damals von Doisneau abgelichtet worden.

Kein Schnappschuss

Erst daraufhin räumte der Fotograf ein, dass es sich nicht um einen Schnappschuss, sondern um ein gestelltes Bild gehandelt hatte. Es dauerte noch fast ein Jahr, bis Bornet sich outete. Schließlich wurde auch ihr Ex-Partner Carteaud ausfindig gemacht, der sich inzwischen als Winzer im südfranzösischen Département Vaucluse niedergelassen hatte. Damit war das wohl letzte Geheimnis um das "Kuss"-Foto gelüftet.

Françoise Bornet, seit nunmehr 43 Jahren mit einem anderen Mann verheiratet, hat mit ihrer Jugendliebe nur noch einmal kurz telefoniert, ein tieferer Kontakt kam nicht mehr zu Stande.

Mit dem Fotografen Doisneau focht Bornet kurz vor dessen Tod 1994 einen Streit um die Abdruckrechte - und unterlag.

Umzug auf's Land

Nun trennt sie sich nicht nur von dem Originalabzug mit der Doisneau-Nummer 21.039, sondern von ihrem gesamten Pariser Hausstand, um auf's Land zu ziehen.

Bis zur Versteigerung am Montagabend können Interessenten sich bei Artcurial an den Champs Elysées ein Bild vom "Baiser de l'Hôtel de Ville" machen, dann kommt es als "Los Nr. 110" unter den Hammer und verschwindet möglicherweise auf lange Zeit im Tresor eines Sammlers.

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