Dinner for One:Kein Nachschlag zum Festmahl

Lesezeit: 2 min

Der NDR verdient seit 1963 prächtig an dem Sketch - die Künstler wurden damals billig abgespeist.

Von Stefan Mayr

Gernot Schulze fiel fast das Champagnerglas aus der Hand. Exakt am Silvestertag vor einem Jahr las der Münchner Anwalt und Spezialist für Urheberrecht, welches einträgliche Geschäft der Norddeutsche Rundfunk (NDR) seinerzeit mit dem Klassiker "Dinner for One" gemacht hatte. Vor der Aufzeichnung des Sketches für das deutsche Fernsehen zahlte der Sender 1963 lediglich den beiden - mittlerweile verstorbenen - Hauptdarstellern Freddie Frinton und Marie Warden ein Honorar, und auch das war mit 4150 Mark denkbar niedrig.

Haben am Erfolg des Stückes nicht mitverdient: Freddie Frinton und Marie Warden. (Foto: Foto: WDR)

"Ein krasses Beispiel für die Unausgewogenheit zwischen Leistung und Gegenleistung", so Schulze. Was den Anwalt so erstaunte, könnte unter Umständen dazu führen, dass das "Dinner for One" eines Tages nur noch auf Video zu sehen sein wird. "Der NDR muss sich auf einen Nachschlag für Urheber und Schauspieler beziehungsweise deren Nachfolger einstellen", ist Schulze überzeugt. Er selber will sich juristisch nicht direkt einschalten, das Szenario für eine Klage aber hat er entwickelt.

Namentlich die Erben des Autors Lauri Wylie, der damals komplett übergangen wurde, könnten Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche sowie "Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung" geltend machen. Im Extremfall - wenn sie Recht bekommen und der Sender ihre Forderungen nicht erfüllt - könnten sie sogar ein Ausstrahlungsverbot erwirken.

Laut Schulze müsste der NDR "durch Vorlage einer Vertragskette bis zurück zum Autor" nachweisen, dass er die Senderechte wirksam erworben hat. Sollte er dies nicht können, hätte eine Unterlassungsklage Aussicht auf Erfolg. Ein Ausstrahlungsverbot könnte der Sender dann nur noch verhindern, indem er den Rechtsnachfolgern eine angemessene Vergütung zahlt. Das wäre sicherlich keine kleine Summe, immerhin hat Butler James allein in Deutschland bis zu diesem Silvester 231 Mal auf den Gong geschlagen, so oft lief der Sketch seit 1963 im Ersten und in den diversen Dritten Fernsehprogrammen. Und auch an diesem Mittwochabend begleitet der unverwüstliche Hausdiener seine Miss Sophie 19 Mal in allen dritten Kanälen sowie im Kinderkanal die Treppe hinauf. Zudem müsste der NDR die Erben noch an den Erlösen für den Verkauf in andere Länder beteiligen - über diese so erzielten Einnahmen hüllt der NDR seit jeher den Frack des Schweigens. "Außerdem müsste für künftige Sendungen eine Vereinbarung getroffen werden", so Schulze.

Autor übergangen

Als der NDR seinen Sketch-Bestseller 1963 in Hamburg aufzeichnete, ahnten zwar weder der Sender noch die beiden billig abgefundenen Hauptdarsteller, welchen Erfolg die deutsch-britische Koproduktion haben würde. Zudem gingen die Fernsehmacher damals wohl davon aus, Freddie Frinton sei Eigentümer der Nutzungsrechte an seinem Meisterstück. Dies hatte der Gentleman stets behauptet, dabei den Autor Laurie Wylie aber geflissentlich übergegangen.

Doch hierauf könnte sich der Sender vor Gericht nicht berufen. "Ein gutgläubiger Erwerb von Rechten scheidet aus", sagt Schulze. "Der NDR musste sich vergewissern, wer Autor des Stückes ist und ob die Rechte hinreichend beschafft worden sind." Dies war offenbar nicht der Fall: Im Abspann des Stücks werden seit 1963 nur Frinton und Warden genannt, aber nicht der Autor - laut Schulze ein klarer Verstoß gegen das "Urhebernennungsrecht". In solchen Fällen ist laut Schulze ein "hundertprozentiger Zuschlag zu der sonst üblichen Nutzungsgebühr" fällig. Das heißt, der NDR müsste Laurie Wylies Erben die doppelte Vergütung zahlen - und zwar 231 plus 19 Mal.

Als das Schweizer Fernsehen DRS 1963 in Zürich ebenfalls ein "Dinner for One" zubereiten ließ, wurden neben einem Pauschalhonorar übrigens auch keine weiteren Zahlungen ausgehandelt. Dennoch überweist das DRS den Nachfahren von Frinton und Warden seit Jahren Tantiemen - auf freiwilliger Basis.

© SZ vom 31.12.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: