Dieter-Bohlen-Überfall vor Gericht:Voll korrekt im Zeugenstand

Lesezeit: 3 min

30.000 Euro hätten sie bei dem Überfall erbeutet, sagen Tom F. und Osman Z. 60.000 seien ihm gestohlen worden, sagt Bohlen. Wobei er wohl etwas den Überblick verloren hat. Dieter Bohlen als Zeuge vor Gericht.

Dirk Graalmann

Es ist nasskalt, 12 Grad Celsius, Schmuddelwetter. Doch hier, in der Reitzensteinstraße in Recklinghausen, stehen die Menschen am Montagmorgen geduldig im Regen. Und warten.

Dieter Bohlen redet vor Gericht plötzlich gar nicht mehr so schön schnoddrig wie im Fernsehen. (Foto: Foto: AP)

Die ersten sind schon um halb sieben hier vor dem Amtsgericht erschienen. Eine Mutter trägt ihr Baby im Maxi-Cosi die Straße auf und ab, die älteren Geschwister toben auf dem Bürgersteig. Ab und an ermahnt sie die Kinder zur Ruhe. Sie wissen ja nicht, auf was die Mama wartet.

Um 8.52 Uhr ist es dann soweit. Ein schwarzer Mercedes mit abgedunkelten Scheiben fährt vor, der Chauffeur öffnet den Fond, Dieter Bohlen steigt aus.

Der Musikproduzent, Boulevardname "Pop-Titan", muss an diesem Montag im Saal 125 aussagen. Als Zeuge im Prozess gegen die beiden 18-jährigen Angeklagten Tom F. und Osman Z., die Bohlen und seine Freundin Carina am 11. Dezember 2006 in Bohlens Haus in Tötensen bei Hamburg überfallen, mit einer Pistole bedroht und beraubt hatten.

Das Duo ist geständig. Sie hätten aber lediglich knapp 30.000 Euro erbeutet, gaben die beiden Jugendlichen an. Ihm seien 60.000 Euro gestohlen worden, behauptet Bohlen.

Er marschiert in den Saal. Konzentriert, ohne Regung, ohne einen Kommentar. Laut wird es trotzdem. Vor dem Amtsgericht steht ein Berufsdemonstrant. Er hat ein paar Schilder dabei, mit blauer und roter Farbe hat er auf die Sperrholzplatte gepinselt: "So, und was ist nun mit den Moneten?"

"Der ist ein korrektes Arschlosch"

Im kleinen Saal versucht Bohlen den Vorsitzenden Richter Gerald Sacher von seiner Version zu überzeugen. Er wirkt angespannt, wie die Kandidaten beim Casting zu "Deutschland sucht den Superstar". Hinten im Saal sitzen die Bohlen-Fans, die "ihren Dieter" sehen wollten. Nun redet er gar nicht so schnoddrig wie im Fernsehen. Es muss eine herbe Enttäuschung für sie sein.

Vor dem Saal steht eine junge Frau, vielleicht Mitte 30. Ihren Sohn hat sie zu den Großeltern gegeben, "nur damit ich hier her kann". Nun hat sie das Besucher-Kärtchen mit der Nummer 28. Es gibt nur 27 Plätze; es ist nicht ihr Glückstag.

Ihr Handy hat sie fest umklammert, wenn sich die Saaltür öffnet, reckt sie es in die Höhe. Zumindest ein Foto wird doch möglich sein. Es wäre so schön, denn "eigentlich mag ich den Dieter ja. Das ist ein korrektes Arschloch."

Korrekt sitzt Bohlen im Zeugenstand. Das Gesicht mit den Händen abgestützt, manchmal rutscht er auf seinem Stuhl hin- und her. Eine Entschuldigung der Angeklagten lehnt er schroff ab. Er ist sichtlich betroffen, berichtet von Schlafstörungen, "permanenter Angst" seit dem Überfall.

Bohlen weiß nicht mehr genau

Sein Haus ähnele durch zahlreiche Sicherheitsvorkehrungen mittlerweile mehr einem Knast als einer Wohnung. "Wir machen aus unserem Haus immer mehr ein Gefängnis", sagt Bohlen. "Das macht so keinen Spaß mehr." Seine Freundin Carina weint im Zeugenstand.

Erfahrene Anwälte wie Siegmund Beneken erweicht so etwas nicht. Der Jurist kann sehr bestimmend sein, er nährt die Zweifel. "Jeder im Saal wüsste, wie viel er den Räubern gegeben hat", hält der Anwalt dem Zeugen vor.

Bohlen weiß es eben nicht mehr so ganz genau. Es wären zwei Kuverts gewesen, sagt der Produzent. Gezählt habe er das Geld aber nicht. Nach der Tat hatte der 53-Jährige noch erklärt, er habe zwei Geldbündel mit 20.000 und 10.000 Euro sowie rund 30.000 gemischtes Geld an die Männer übergeben.

Den Widerspruch kann er nicht aufklären; Bohlen macht Erinnerungslücken geltend. Er hat wohl ein bisschen den Überblick verloren.

Warum hatte er überhaupt so viel Bargeld? Bohlen hat mehrere Erklärungen. Ein Urlaub auf den Malediven stand an, einer seiner Söhne sollte ein Auto als Geburtstagsgeschenk bekommen. Und seine Angestellten zahle er ja immer bar, so der 53-Jährige. Das ist die eine Welt. Die andere kann man vor dem Gerichtssaal erleben.

Auf dem Flur redet ein Mann in Lederkluft, Mitte 40, Brilli im Ohr, mit seiner Anwältin. Es geht um das Sorgerecht seines Kindes.

Dann zückt er das Handy. "Bringst du mir ein Käse-Schinken-Croissant mit?", schnarrt er ins Telefon. Pause. "Nee, die Bildzeitung hab' ich schon." Morgens halb zehn in Deutschland.

Dazu gehört auch der journalistische Auftrieb, das gesamte Arsenal deutscher Medien ist erschienen. Zwei Stunden dauert das Spektakel. Dann endet die Zeugenbefragung, wenig später wird der Prozess, für den alle ein Urteil erwartet hatten, überraschend vertagt.

Da allerdings war der prominente Zeuge längst entschwunden - und mit ihm die Passanten, die zumindest gesehen haben, dass es Dieter Bohlen wirklich gibt.

Sie haben Glück: 2008 zeigt RTL die fünfte Staffel von "Deutschland sucht den Superstar". Die Quoten dürften wieder gut werden.

© SZ vom 4.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: