Der Papst in Lourdes:Ein Kranker unter Kranken

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Ein bisschen eifersüchtig sind die Stadtväter ja schon, besucht doch der Papst den Pilgerort Fatima viel öfter als das französische Städtchen Lourdes. Dort hat man ein Problem: Die Wunder werden weniger.

Von Gerd Kröncke

Der alte kranke Mann kommt als Pilger, als einer von vielen. Im "Accueil Notre Dame", einem Hospiz von moderner Architektur, hat man gleichwohl eine ganze Etage für Johannes Paul reserviert, aber jeden weiteren Luxus hat er sich verbeten. "Er ist ein Kranker unter Kranken", sagt sein Freund, der Pariser Erzbischof Jean-Marie Lustiger, "in der Armseligkeit seines Körpers, in der Schwachheit der Krankheit."

Sechs Millionen Pilger jährlich und ein Wunsch: Hilfe von der Jungfrau Maria. (Foto: Foto: AP)

Da soll es keine Rolle spielen, dass der Papst auch ein Staatsoberhaupt ist. Von seinem Zimmer aus wird er einen guten Ausblick auf den Ort haben, der jährlich Millionen nach Lourdes lockt, auf die Felsgrotte, die vor lauter Kirchen, Kuppeln und Türmen kaum noch zu sehen ist.

Behutsamer Umgang mit dem Wunder

Der Pilger Johannes Paul II. wird am heutigen Samstag in Lourdes erwartet und bleibt nur eine Nacht. Doch selbst wenn der Papst nur kommt, weil er noch einmal vor der Statue der Maria beten will, um wie andere auch Trost und Stärkung zu suchen, wird er doch von Staatspräsident Jacques Chirac auf dem Flughafen von Tarbes-Lourdes-Pyrénées empfangen. So will es die Etikette.

Lourdes ist für Katholiken, nicht nur in Frankreich, ein religiöser Mythos, seit vor fast 150 Jahren dem Bauernmädchen Bernadette Soubirous in einer Grotte eine Dame ganz in Weiß erschienen war. Diese Marienerscheinung hat den kleinen Ort am Rande der Pyrenäen weltberühmt gemacht. Jährlich kommen mehr als fünf Millionen, sogar Hindus oder Muslime. Todkranke lassen sich nach Lourdes fahren und hoffen auf ein Wunder.

Mit den Wundern freilich geht die katholische Kirche behutsam um, man will nicht den Kritikern in die Hände arbeiten. Es mag plötzliche Genesungen geben, auch unerklärliche, im Zweifel entscheidet sich die zuständige kirchliche Ärztekommission gegen das Wunder. Selbst in Lourdes werden die Wunder weniger.

Das Wunder von 1966

Das letzte von 66 wurde erst nach zehnjähriger Prüfung anerkannt: der 51-jährige Franzose Jean-Pierre Bely hatte an Multipler Sklerose gelitten, war ein hoffnungsloser Fall, von den Ärzten aufgegeben, vollständig gelähmt. Bei einer Wallfahrt 1988 war er von einer Minute auf die nächste plötzlich gesund geworden.

Johannes Paul, der hinfällige 84-jährige Papst, hofft auf ein solches Wunder wahrscheinlich nicht. Er hat sich längst mit dem abgefunden, was er die Gnade des Leidens genannt hat. Jede seiner Reisen, auch diese 104. Auslandsreise seines Pontifikats, könnte die letzte sein. Während seiner wöchentlichen Audienz hat Johannes Paul am Mittwoch "die Möglichkeit nach Lourdes zurückzukehren", als eine "besondere Gnade der Vorsehung" bezeichnet.

In Lourdes will er ein Jubiläum feiern: vor exakt 150 Jahren hat einer seiner Vorgänger, Pius IX., das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis verkündet. Danach ist Maria als die Mutter Gottes der einzige Mensch, der frei von der Erbsünde geboren ist. Von der "Unbefleckten Empfängnis" hatte auch die "schöne Dame", die das Bauernmädchen Bernadette gesehen hatte, gesprochen. Für den Papst ist die Pilgerreise an Maria Himmelfahrt, dem katholischsten aller Feiertage, eine Hommage an die Gottesmutter, die er über alle Maßen verehrt.

Ein warmer Geldregen im heißen Sommer

Für Lourdes und das Gewerbe mit der Frömmigkeit bedeutet der Papst-Besuch im heißen Sommer einen warmen Regen. Man hat lange auf ihn warten müssen, und mit einer gewissen Eifersucht wurde in Lourdes registriert, dass der Papst oft und immer wieder nach Fatima gereist ist, aber erst einmal, vor genau 21 Jahren, nach Lourdes gekommen ist. Allein 2700 Polizisten und Soldaten sind im Einsatz. Der Luftraum über Lourdes ist gesperrt, Abfangjäger sind in Alarmbereitschaft. Der alte Mann ist doch kein gewöhnlicher Pilger.

© SZ vom 14.08.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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