Der Obelisk von Axum:Ein besonders langes Stück Geschichte

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Seit 1947 hat Italien versprochen, den von Mussolini geraubten Obelisk von Aksum an Äthiopien zurückzugeben - nun ist es so weit.

Von Christiane Kohl

Mehr als 60 Jahre lang stand der Obelisk von Autos umspült auf einem der verkehrsträchtigsten Plätze Roms - Italiens Diktator Benito Mussolini hatte ihn einst als Kriegsbeute aus Äthiopien anschleppen lassen. Im Rom der Nachkriegszeit diente die rund 26 Meter hohe Säule gleichsam als stiller Polizist, rußgeschwärzt, doch standhaft in mitten des tosenden Verkehrs, der sich um den Circus Maximus wälzt.

Nun endlich darf der mehr als 2000 Jahre alte Koloss aus Trachytgestein die Heimreise nach Afrika antreten. Der Obelisk wird, zerlegt in riesige Brocken, verpackt und transportfähig gemacht: Ein logistisch äußerst schwieriges Unternehmen - und das Ende einer unendlichen Geschichte.

Sie beginnt mit dem Äthiopienfeldzug Mussolinis. Im Mai 1935 war der Diktator in Addis Abeba einmarschiert, nach Vorbild des antiken Rom wollte er ein neues "Imperium" gründen, wunschgemäß übernahm Italiens König Vittorio Emanuele III. 1936 den Titel eines Kaisers von Äthiopien - aber natürlich wurden noch ein paar Insignien der Macht gebraucht.

160 Tonnen Steinmasse

Man fand sie in der Heiligen Stadt Aksum, die rund 2100 Meter hoch nördlich von Adis Abeba liegt. Aksum hatte seine Blüte im 4. bis 2. Jahrhundert v. Chr. und war später Krönungsort äthiopischer Kaiser. Zum Kulturerbe der Stadt gehören Ruinen prächtiger Palastanlagen sowie eine Ansammlung von reich verzierten Stelen, die möglicherweise zu antiken Grabstätten gehörten. Die Zweithöchste fuhren die Italiener 1935 zur Küste und schifften die 160 Tonnen Steinmasse mit per Spezialtransport in Richtung Italien ein.

Dort sollte der Obelisk im Mai 1937 vor dem neu erbauten Kolonialministerium pompös eingeweiht werden - man schrieb das Jahr eins von Mussolinis Neu-Römischem Imperium. Technische Probleme aber verhinderten die feierliche Prozedur, so fand sie erst am 28.Oktober 1937 statt - zum 15.Jahrestag von Mussolinis Marsch auf Rom.

Das Imperium des Diktators war nicht von langer Dauer, nach dem Krieg unterschrieb Italien 1947 eine von den UN erwirkte Erklärung, wonach der Obelisk binnen 18 Monaten nach Aksum zurückgebracht werden sollte. Freilich tat sich Jahrzehnte nichts, bis 1997 die Regierung Romano Prodis eine neue Vereinbarung traf: Noch im selben Jahr sollte der Koloss die Reise antreten. Wieder verzögerten sich die Dinge, überdies brach Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea aus.

Damit war der Schiffsweg versperrt, denn in Eritrea liegt der nächste Hafen für Aksum. Der in Dschibuti ist 900 Kilometer entfernt, die Steine so weit über löchrige Straßen zu bringen, schien unmöglich. So verging die Zeit, der Obelisk wurde schwärzer und schwärzer inmitten des römischen Verkehrs.

"Eingebürgerter Bewohner Roms"

Lang hatte Äthiopien um die Rückgabe der Steinkolosses gebeten, der als Weltkulturerbe unter dem Schutz der Unesco steht. Zuerst fragten die Regierenden des ostafrikanischen Staates freundlich an, dann drängender. Es gab offene Briefe, 15.000 Bewohner Aksums unterschrieben eine Petition. Mit der Regierungsübernahme durch Silvio Berlusconi aber schienen ihre Chancen eher zu schwinden.

Der Obelisk sei mittlerweile "eingebürgerter Bewohner Roms" erklärte Kultur-Staatssekretär Vittorio Sgarbi, eine Rückreise nach Äthiopien viel zu gefährlich. So musste erst der Blitz einschlagen, bis sich Rom bewegte.

Beim Wiederaufbau der Stele hatten Techniker 1937 einen Stahlstab in sie getrieben. Der war schuld, dass im Sommer 2002 ein Blitz in die Spitze der Säule einschlug und sie schwer beschädigte. Glück im Unglück: Nach dem Gewitterschaden wurde der Druck auf Rom so stark, dass es Schritte für die Rückgabe unternehmen musste.

Nun kam Äthiopiens Regierungschef Meles Zenawi nach Rom, um letzte Details zu klären: Die Rückgabe der Säule ist für ihn "Symbol unserer wiedergewonnenen nationalen Identität".

Nun ist auch die letzte Hürde genommen, der Transport. In Frage kam nur der Flugweg, weltweit aber gibt es nur die amerikanische Galaxy oder die russische Antonov, die Teile des Kolosses transportieren können.

Amerikas Transportmaschinen sind mit dem Irak-Krieg ausgelastet, so sollen die Gesteinsbrocken mit der Antonov nach Aksum gebracht werden. Fünfmal muss sie fliegen, um alle Teilen zu überführen - damit der Obelisk daheim auch landen kann, wurde in Aksum eigens ein neuer Flughafen gebaut.

© SZ vom 22.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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