Der "andere" TV-Dschungel:Diesmal was mit Spinnen, Liebling

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Die Ekel-Bar in Australien ist geschlossen. Der Tross der Schlamm-Suhler und Suhlschlampen aus der Promi-C-Klasse wird wohl nach Kolumbien pilgern müssen. Steht auf der (nicht ernst gemeinten) Mitschrift einer Geheimsitzung eines großen TV-Senders.

Von Hans Hoff

Diese Woche: Strategiekonferenz bei einem deutschen Privatsender. Anwesend sind Geschäftsführer Renditski, Programmdirektor Quotflügel und Unterhaltungschef Alberniak.

Nimm deine Bahre und geh - nach Kolumbien. (Foto: Foto: AP)

Renditski: RTL macht uns ganz schön was vor mit dieser Dschungel-Show. Da haben vor dem Finale fast acht Millionen zugeschaut - und das bei Leuten wie Lisa Fitz, Daniel Küblböck und Costa Cordalis. Warum haben wir das nicht? Ich will ein Konzept!

Alberniak: Ich hätte da was. Einer unser Autoren hat eine logische Fortsetzung der Dschungelshow entwickelt.

Quotflügel: Das hat Herr Renditski doch schon mehrfach abgelehnt - zu zynisch und menschenverachtend.

Renditski: Genau so etwas brauchen wir jetzt.

Alberniak: Also, die Show heißt Kidnap-TV und basiert auf der Idee, zehn Prominente in den kolumbianischen Dschungel entführen zu lassen. Dort werden sie vom Drogen-Kartell so lange festgehalten, bis die Zuschauer mit gebührenpflichtigen Telefonanrufen das Lösegeld für jeden einzelnen zusammengebracht haben. Täglich liefern uns die Kidnapper Bänder, auf denen zu sehen ist, wie die Entführten im Camp geknechtet und gequält werden und als Drogenkuriere arbeiten müssen.

Quotflügel: Da haben wir doch sofort die Polizei am Hals.

Alberniak: Höchstens kurz, weil es sich bei Kidnap-TV: Holt uns hier raus! natürlich um ein abgekartetes Spiel handelt. Schließlich wird niemand ohne sein Einverständnis entführt. Das sind alles erwachsene Menschen, die so ordentlich honoriert werden, dass es sich mehr lohnt als zehn Einweihungen von Möbelcentern. Wir tun nur so, als wäre alles echt - das aber konsequent. Das heißt, wir melden die Entführung in unseren Hauptnews und unterlegen das mit Wackelbildern. Gleichzeitig geben wir das Ganze an dpa. Und Bild kriegt die Bilder. Wir machen das natürlich nur so lange, bis Polizei und Außenministerium ins Rotieren kommen. Dann entschuldigen wir uns für das Versagen unserer Newsredaktion, feuern einen Redakteur und enthüllen, dass das Ganze eine Show ist, die im Hause geheim gehalten wurde. Auf jeden Fall haben wir einen echten Quotenschub.

Quotflügel: Da macht keiner mit.

Alberniak: Im Gegenteil. Wir haben schon einen ganzen Stapel Anfragen der B- und C-Prominenz, die vorsichtshalber angeklopft hat, ob wir auch mal eine Dschungelshow machen. Wir könnten problemlos eine schöne Mischung aus Jung und Alt, Berühmt und Halbberühmt erreichen.

Renditski: Ich will Lothar Matthäus als Senior und Jeanette Biedermann für die Teenies.

Alberniak: Matthäus macht zwar sonst viel mit, aber dafür kriegen wir den nie. Bei Jeanette sehe ich Chancen, die war auch bei Star Search Jurorin. Ich habe außerdem von den Kollegen von Endemol gehört, dass die bald Big Brother mit Politikern spielen wollen. Da müsste doch der eine oder andere Hinterbänkler zu kriegen sein. Und die Kollegen von Grundy Light Entertainment reden immer von einer Talk- und Spielshow mit Mönchen. Mönche wären doch schön für den Kidnapp-Mix.

Quotflügel: Alles gut und schön, lieber Alberniak, aber haben Sie eigentlich eine Ahnung, was uns so'ne Produktion in Kolumbien kostet? Von echten Sicherheitsproblemen mal abgesehen.

Renditski: Nee! Was kostet das?

Alberniak: Ha. Das ist doch die Sache: Kein Mensch wird je kolumbianischen Boden betreten. Unser Location-Scout hat so ein ehemaliges Camp der britischen Truppen aufgetan, schön abgelegen. Das ist was Ähnliches wie diese überdachten Freizeitparks, nur eben ohne Besucher, dafür aber mit heftigen Temperaturen und wunderbarer Wasser- und Tropenlandschaft. Die bauen wir aus, sperren weiträumig ab und lassen alles dort spielen. Wenn wir wenig live senden und viel mit Schnitt machen, und dazu nur Überwachungskamera fahren, merkt das doch keine Sau. Wir tun dann so, als triezten wir die Kandidaten, machen schön was mit Spinnen, Schlangen, Kakerlaken und Aalschleim.

Quotflügel: Was ist mit Sex?

Alberniak: Wir schleusen Gina Wild ein und setzen die auf die Politiker an, ohne dass die davon wissen. Die Dialoge dazu geben wir ebenso wie die besten Ekelbilder sofort an Bild. Dort landet auch ein Dossier über angebliche Steuerprobleme und "Geheimverträge" der Teilnehmer. Wäre nicht schlecht, wenn da auch jemand über Masturbation reden könnte.

Quotflügel: Das will aber zeitlich tipptopp geplant sein.

Alberniak: Wir haben abgecheckt, ob die üblichen Erreger zeitlich verfügbar sind, wenn Kidnap-TV auf Sendung geht. Jo Groebel vom Europäischen Medieninstitut kennt sich aus mit Folter-TV, und Norbert Schneider kann als besonnener nordrhein-westfälischer Medienwächter die Verbotsanträge seiner Kollegen relativieren, die hoffentlich kommen. Außerdem ist Kurt Beck immer einsatzklar, wenn es um die Menschenwürde geht.

Renditski: Verbotsforderungen müssen möglichst schnell kommen. Spätestens wenn der Betrug auffällt und alle die große Schlagzeile "Schwindel TV" bringen. Dann geht die Quote durch die Decke. Sollte das nicht klappen, habe ich noch geheime Kontakte zu Frauen- und Tierschutzverbänden. Die sollten sich in die Empörungsspirale gut einbauen lassen.

Alberniak: Wichtig ist, dass wir die Zuschauer mit ins Boot holen und denen die Verantwortung für alles zuschieben können. Wenn wir so tun, als ob einer gequält wird, dann muss das immer so aussehen, als hätten die Zuschauer eben das per Televoting so entschieden.

Renditski: Wenn die falsch votieren?

Alberniak: Dann stört uns das überhaupt nicht. Erfährt ja keiner was über die Abstimmungsergebnisse.

Quotflügel: Wie wird das moderiert?

Alberniak: Wir haben an eine Art Krisenstab mit Mogadischu-Atmosphäre gedacht. Da wird Tag und Nacht beraten, wie man die Geiseln rausbekommt.

Renditski: Meine Herren, ich sehe, das hat Hand und Fuß. Wenn wir das richtig durchziehen, muss sich RTL warm anziehen. Aber, sagen Sie, könnten wir nicht Caroline Beil bekommen? Keine kommt im Schlamm so gut rüber.

© SZ v. 21.01.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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