Das mysteriöse Erbe des Frankfurter Bierbarons:Bizarr bis nach dem Tod

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Musste der Bierbaron verdursten? Im Streit um den Tod des Frankfurter Unternehmers Bruno H. Schubert erhebt die damalige Sekretärin schwere Vorwürfe. Der alte Mann habe am Ende nicht einmal genug Wasser bekommen. Gleichzeitig kämpfen der Sohn und die 64 Jahre jüngere Ehefrau um das Millionen-Erbe - doch niemand weiß, wo das Geld geblieben ist.

Marc Widmann, Frankfurt

Jetzt ist das goldene Klingelschild abgeschraubt, und von der Gartenmauer bröckelt der Putz. Totenstill ist es im Frankfurter Wendelsweg. Die Party ist vorbei. Dieser illustre Ort der Frankfurter Gesellschaft ist nur noch ein tristes Mahnmal. Hier verprasste der Ehrenbürger Bruno H. Schubert - besser bekannt als "Bierbaron" - seine Millionen. Hierher auf sein Anwesen strömten die ehrenwerten und weniger ehrenwerten Honoratioren der Stadt und ließen sich bewirten von Butlern mit weißen Handschuhen: Die Oberbürgermeisterin kam ebenso gern wie Industrielle, Staatsanwälte, Polizisten, Künstler, Rotlichtgrößen. Gleich Lastwagenweise wurde der Champagner herangeschafft, so liebte es der Hausherr. Und erst die Frauen, ach, die Frauen. Mit ihnen begann das Drama. Vor allem endete es mit ihnen.

Hat bei seinem Tod jemand nachgeholfen? Der reiche, ehemalige Brauereibesitzer Bruno H. Schubert aus Frankfurt war im Hernst 2010 unter mysteriösen Umständen gestorben. (Foto: picture-alliance/dpa/dpaweb)

Seit Oktober 2010 ist Bruno Schubert tot, er wurde 90 Jahre alt. Mit ihm erstarb die zauberhafte Welt im Wendelsweg. Doch von Ruhe und Frieden kann keine Rede sein. Seit einiger Zeit ermittelt die Staatsanwaltschaft, ob bei seinem Tod womöglich nachgeholfen wurde. Zugleich tobt ein Erbstreit: Auf der einen Seite steht Schuberts letzte Frau, die 64 Jahre jüngere Meharit Schubert. Auf der anderen Seite stehen sein Sohn und eine von ihm gegründete Umweltstiftung. Eine Frage interessiert deren Anwälte besonders: Wo sind die Millionen geblieben? Keiner weiß es. Je mehr man sich mit dem Fall Schubert beschäftigt, desto mysteriöser wird er. Es geht um Geld und menschliche Abgründe - und um die gesellschaftliche Klasse einer Stadt, die all das im Überfluss hat.

In seiner Villa hielt Bruno Schubert fast täglich Hof, weil er nichts Besseres mehr zu tun hatte. 1979 verkaufte er die Frankfurter Henninger-Brauerei und war fortan steinreich. Manche mieden sein Anwesen angewidert. Viele kamen immer wieder, vor allem die Frauen. Sie wussten, dass Schubert die Einsamkeit nicht ertrug und Zuwendung fürstlich honorierte. "Wenn er mal zehn Minuten alleine war, wurde er kirre", sagt sein Sohn Hanns Peter Nerger heute. Schönen Frauen verzieh der alte Herr alles. Schlug eine seiner Freundinnen über die Stränge, löste er das Problem dezent. Hausangestellte berichten, dass Ermittlungen wegen Trunkenheitsfahrten oder Fahrerflucht still aus der Welt geschafft worden seien. "Herr Schubert hatte ein hervorragendes Netzwerk", sagt sein letzter Anwalt.

"Ausgenommen wie eine Weihnachtsgans"

Seine vorletzte Freundin überhäufte der alte Mann förmlich mit Reichtümern: einem Porsche, einer Villa, Luxusreisen. Glaubt man seinem Sohn, war er zu dieser Zeit bereits dement. Er habe sich manchmal nicht mal mehr daran erinnert, dass er einen Sohn habe. Und die Frauen, sagt Nerger, hätten das schamlos ausgenutzt: "Die haben ihn ausgenommen wie eine Weihnachtsgans." Damit meint er vor allem die junge Meharit, die der Greis im Sommer 2009 heiratete - und kurz darauf zu seiner Alleinerbin kürte. Anfang dieses Jahres erstattete der Sohn Strafanzeige. Es geht um die letzten Tage im Leben seines Vaters.

In einem Protokoll hat die damalige Sekretärin festgehalten, was im vergangenen Oktober geschah. Sie war damals täglich in der Villa - und hatte den Eindruck, man habe dem alten Mann nicht genügend Flüssigkeit gegeben. Dem Protokoll zufolge drängte sie tagelang darauf, den schwächer werdenden Greis ins Krankenhaus zu bringen. "Für mich ist klar, Herr Schubert muss sofort in eine Klinik", vermerkt sie noch am Tag vor seinem Tod. Doch niemand habe zugestimmt: Weder der Hausarzt noch Schuberts junge Frau noch sein neuer "Generalbevollmächtigter", der Anwalt. Sie sei entsetzt gewesen, schreibt die Sekretärin: "Was hat Herrn Schubert all sein Geld genutzt, wenn er am Ende nicht einmal mehr genug Wasser bekommen hat?"

Seit Monaten ermitteln die Staatsanwälte, aber ein konkreter Verdacht scheint sich bisher nicht zu erhärten. Die Witwe und der Hausarzt wollen darüber nicht öffentlich reden. Nur einer spricht: der Anwalt. Hubertus Kestler sitzt in seiner Kanzlei im noblen Frankfurter Westend, Brille und Frisur erinnern an Frank-Walter Steinmeier. Er sieht die Vorwürfe der Gegenseite als Verzweiflungsmanöver im Erbstreit. Man habe nur den Willen des alten Mannes befolgt, der nie mehr ins Krankenhaus gewollt habe. Dann fragt man ihn, wo Schuberts Millionen sind, das Geld, das der alte Mann im Ausland versteckt haben soll, verwaltet von Schweizer Beratern und ausgezahlt über eine Liechtensteiner Stiftung. Da sagt der Anwalt nicht mehr viel. Nur: "Ich habe das Geld nicht angefasst."

Die Behörden, sagt der Anwalt noch, hätten sich übrigens nie für das Auslandsvermögen interessiert. "Die haben nichts hören wollen." Weder die Staatsanwälte, die gern in die Villa kamen, noch Schuberts Bekannte in der Finanzverwaltung. Wer weiß, vielleicht war der Champagner des Bierbarons ja einfach zu gut.

© SZ vom 16.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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