Dalai Lama in Hamburg:Die Kraft der Bescheidenheit

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Mal clownesk, mal großväterlich, immer aber bescheiden - der Auftritt in der Hansestadt zeigt, was den Dalai Lama zu einem global verehrten Menschen macht.

Matthias Drobinski

Einen roten, samtbezogenen Sessel haben sie im Hamburger Elysee-Hotel dem Dalai Lama bereitgestellt. Der 72-Jährige schaut das breite Möbelstück zufrieden an - und setzt sich dann im Lotussitz auf das Polster; Seine Heiligkeit grinst. Jetzt lasst es mal gut sein mit der Verehrung, will er wohl ausdrücken, denn auch unter den Journalisten sind einige applaudierend aufgesprungen.

Im Lotossitz auf dem Samtsessel: Der Dalai Lama gibt sich gelassen (Foto: Foto: Reuters)

Zwei Dinge seien ihm wichtig, sagt dann der Mann im rotorangenen Mönchsgewand: erstens Mitgefühl und menschliche Werte zu vermitteln, zweitens die Harmonie zwischen den Religionen zu fördern. "Wenn wir Mitgefühl in unseren Herzen haben, wirkt sich das gut auf unsere Psyche aus", sagt er, und dass alle Religionen - bei allen Unterschieden - die gleichen Werte propagierten: Liebe, Mitgefühl, Genügsamkeit und Toleranz.

Dann ruft er die reichen Länder auf, den Armen zu helfen, kritisiert Profitdenken und Konsumvergötzung. Eine Journalistin will wissen, ob der 15. Dalai Lama auch eine Frau sein könnte. "Ja", sagt er, der 14. Dalai Lama, und lächelt großväterlich, "aber sie sollte hübsch sein." Zum Schluss noch ein Lob für das Land, in dem er bis zum Ende der kommenden Woche sein wird: Schon als Kind habe er im Krieg zu Deutschland gehalten, das von so vielen Nationen bekämpft wurde. "Da wusste ich noch nichts vom Holocaust", fügt er entschuldigend hinzu.

Es ist zu spüren: Nicht die Kraft der Worte oder Vorträge hat den Dalai Lama zu einem der wenigen global verehrten Menschen gemacht - es ist die Verbindung aus Charisma und Bescheidenheit, aus Glauben und Lebensgeschichte. Der Mann ist ein Glücksfall für den weltweiten Buddhismus, und auch Nichtbuddhisten können die Kraft der Frömmigkeit spüren. Und ohne ihn wäre der gewaltlose Kampf der Tibeter ums Überleben unter chinesischer Herrschaft wohl schon zu Ende.

Am 6. Juli 1935 wurde er als Tenzin Gyatso in eine einfache Bauernfamilie geboren. Als er zwei Jahre alt war, erkannten Mönche ihn als Inkarnation des Gottkönigs, mit fünf war er der "Ozean der Weisheit", wie sein Titel übersetzt heißt. Erzogen wurde er dann unter anderem von Heinrich Harrer, dem deutschen Abenteurer (und, wie sich herausstellte, SS-Mitglied). 1959, nach dem Einmarsch der chinesischen Armee in Tibet, floh der Dalai Lama nach Indien, seitdem kämpft er gewaltlos für sein Volk; 1989 erhielt er dafür den Friedensnobelpreis.

Ein unerschrockener David widersteht einer Weltmacht, das fasziniert. Darüber hinaus steht der Dalai Lama für die Popularität des Buddhismus, der von seinen Anhängern im Westen als Gegenbild zum Christentum verstanden wird: Buddha lehrte vor fast 2500 Jahren die Einheit aller Dinge und die Gelassenheit im Leben; im Christentum tobt dagegen der Kampf zwischen Gut und Böse. Die Christen haben Dogmen und führten Kreuzzüge zur Bekehrung der Heiden, die Buddhisten stellen den persönlichen Weg zum Nirwana in den Vordergrund, und der Dalai Lama rät neugierigen Christen, erst einmal bei der eigenen Religion zu bleiben.

Und dann ist der Dalai Lama auch ein Zeichen dafür, wie sehr sich in der postmodernen Religiosität der Glaube an glaubwürdigen Personen orientiert, an einem "Gott zum Anfassen" ( Spiegel), der seine Göttlichkeit ironisiert, indem er während der Pressekonferenz einen roten Sonnenschutz aus dem Mönchsgewand zieht und zur Freude der Fotografen aufsetzt.

Auch dieser clowneske Umgang mit der Öffentlichkeit wird dazu beitragen, dass das Tennisstadion in Hamburg-Rothenbaum in den kommenden Tagen gut gefüllt sein wird, wenn dort der Dalai Lama auftritt - die Veranstalter rechnen mit insgesamt 30.000 Besuchern.

Am Wochenende geht es um die "Praxis der Gewaltlosigkeit", von Montag an - etwas weniger populär- um "Die 400 Verse über die Übungen auf dem Weg zur Erleuchtung" des indischen Meisters Aryadeva. Und drumherum wird es in einer Zeltstadt viel Tibet- und Dalai-Lama-Begeisterung geben; kritische Fragen werden dann wohl nur am Rande vorkommen: Ist der im Westen nur schwer zu verstehende Lamaismus tatsächlich so dogmenlos, wie das viele Europäer glauben? Kann der Buddhismus als unbarmherziges Strafsystem missverstanden werden, weil jeder selbst schuld ist, wenn es ihm schlecht geht, und weil es keine Gnade gibt?

Eine innerbuddhistische Debatte allerdings geht das Oberhaupt aller Tibeter in Hamburg offensiv an - er hat sich noch einmal die Forderung der buddhistischen Nonnen zu eigen gemacht, die in der Hansestadt tagen: Sie wollen, dass Nonnen und Mönche künftig spirituell gleichberechtigt sind. Den Dalai Lama haben sie auf ihrer Seite. Denn er sagte: "Buddha hat Männern und Frauen gleiche Rechte gewährt."

© SZ vom 21.07.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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