Coup im Keller:Golden Oldies

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Die Diebe bohrten ein Loch in die Stahlbeton-Wand des Tresorraums. (Foto: AFP)

Der spektakuläre Juwelenraub in London ist wohl aufgeklärt. Drei der Einbrecher sind im Rentenalter.

Von Björn Finke, London

Es war einer der spektakulärsten Raubzüge der vergangenen Jahre - und dahinter sollen neben sechs jüngeren Männern auch drei Senioren stecken. Über das Osterwochenende waren Diebe in den Tresorraum einer Schließfachfirma in Londons Juwelierviertel Hatton Garden eingebrochen und hatten Preziosen und Bares erbeutet. Schätzungen zufolge soll das Diebesgut bis zu 280 Millionen Euro wert sein. Nun nahm die Polizei neun Verdächtige in London und im Dorf Dartford in der benachbarten Grafschaft Kent fest. Sechs der Briten sind zwischen 43 und 59 Jahre alt, doch die drei betagtesten mutmaßlichen Einbrecher sind 67, 74 und 76. Der Älteste betreibt zusammen mit seinem 50-jährigen Sohn einen Gebrauchtwagen-Handel in Dartford; beide wurden verhaftet.

Mehr als 200 Polizisten waren an der Aktion beteiligt. Ein Sprecher sagte, bei den Verdächtigen seien Wertsachen gefunden worden, die wohl aus dem Einbruch stammten. Auf Hinweise zu dem Verbrechen hatte Scotland Yard eine Belohnung von umgerechnet 28 000 Euro ausgesetzt.

Dass manche der Festgenommenen so alt sind, überrascht, denn die Tat verlangte einigen Körpereinsatz. Die Einbrecher hatten sich offenbar am Gründonnerstag abends in dem Bürogebäude einschließen lassen, in dessen Keller sich der Tresorraum mit den Schließfächern befindet. Als die Beschäftigten aus dem Haus ins lange Osterwochenende entschwanden, setzte die Bande im zweiten Stock den Lift außer Betrieb und seilte sich durch dessen Schacht in den Keller ab.

Mit Hilfe einer schweren Bohrmaschine mit diamantenbesetztem Kopf, der Hilti DD 350, bohrten die Einbrecher dann ein schmales Loch in die 50 Zentimeter starke Stahlbeton-Wand des Tresorraums. Kurz nach Mitternacht lösten sie einen automatischen Alarm aus, aber die Polizei ignorierte ihn. Der Lärm durch das nächtliche Bohren machte auch keine Nachbarn misstrauisch - in dieser Ecke Londons, im Stadtteil Holborn, wird gerade ein Tunnel für eine neue unterirdische Bahnlinie gebaut. Die Diebe arbeiteten bis Freitagmorgen durch - und kehrten Ostersamstag abends zurück für eine zweite Nachtschicht.

Trotzdem räumten sie nur 56 von 999 Schließfächern leer, weswegen vermutet wird, dass sie es auf etwas Bestimmtes abgesehen hatten. Juweliere aus der Nachbarschaft nutzen diese Boxen, um über das lange Wochenende ihren Schmuck vermeintlich sicher zu lagern. Als die Polizeibeamten am Dienstagmorgen eintrafen, sahen sie am Gebäude außen keine Einbruchsspuren. Erst im Keller wurde klar, was über die Ostertage geschehen war.

Britische Medien ließen in ihren Berichten eine gewisse Bewunderung für diesen raffinierten Coup durchklingen; zugleich musste sich die Polizei Kritik anhören, weil sie den Alarm nicht ernst nahm. Scotland Yard entschuldigte sich für diesen Fehler. Die Verdächtigen wurden am Mittwoch weiter verhört.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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