Cinema for Peace:Wir spielen Flüchtling

Solidarität mit den Geschundenen, aber in Abendkleid und mit Häppchen? Eine rätselhafte Solidaritätsadresse auf einer Reichen-Gala in Berlin.

Von Max Scharnigg

Charity-Veranstaltungen waren schon immer schwer zu erklären: Reiche feiern wie Reiche und gedenken dabei der Armen. Im Falle der diesjährigen "Cinema for Peace"-Gala in Berlin, die übrigens nichts mit der Berlinale zu tun hat, geriet das Konzept noch ein bisschen irrer. Im Anschluss an die Auszeichnung eines Filmes über das Fluchtschicksal einer syrischen Familie (anwesend), durften die Gäste unter ihren Stühlen eine Überraschung entdecken: Original-Rettungsfolien, wie sie aufgenommenen Bootsflüchtlingen als erste Maßnahme gegen Unterkühlung umgehängt werden. Motto: sich einmal fühlen wie ein Flüchtling. Nur eben im Abendkleid und in Begleitung von Häppchen. An Karneval wäre ein Kostüm "Flüchtling" noch tabu gewesen, an diesem Abend nicht. Die Gäste, unter ihnen die Schauspielerin Charlize Theron (vorne rechts, sitzend), knisterten fröhlich herum und schickten Selfies mit Schmollmund und Peace-Zeichen ins Netz. Der Künstler Ai Weiwei war dieses Jahr Ehrenpräsident der Cinema for Peace Jury, er hätte per Videoschaltung bei dem Spektakel dabei sein sollen. Das ist wohl auch die Erklärung, warum sich alle so vorbehaltlos einwickeln ließen: Kunstverdacht sticht Geschmacklosigkeit.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes konnte der Eindruck entstehen, Ai Weiwei sei persönlich vor Ort gewesen. Dies war nicht der Fall.

© SZ vom 17.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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