Christos Projektleiter Wolfgang Volz:"Bisher ist nur einer in den See gefallen"

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Im Interview spricht Wolfgang Volz über das Kunstprojekt "Floating Piers" in Norditalien und die Frage, ob so etwas auch hierzulande möglich wäre.

Interview Von Martin Zips

Was von den spektakulären Installationen des Künstlers Christo am Ende übrig bleibt, das sind Erinnerungen - und die Fotos von Wolfgang Volz. Der 68-jährige Fotograf aus Tuttlingen darf seit 44 Jahren exklusiv für Christo arbeiten. Er gilt als "Christos Auge" und war an allen Aktionen des mittlerweile 81-jährigen Künstlers (auch "Wrapped Reichstag", 1995) maßgeblich beteiligt. Bei "The Floating Piers" am Lago d'Iseo in der norditalienischen Lombardei ist Volz wieder als Projektmanager dabei.

SZ: Herr Volz, 11 000 Menschen auf schwimmenden Stegen - ohne Geländer. In Deutschland wäre das doch undenkbar, nicht?

Wolfgang Volz: Könnte sein. Aber die italienischen Behörden waren sehr kooperativ. Wir haben natürlich auch alle wichtigen Vorkehrungen getroffen. Das Design der "Floating Piers" ist ja vor allem ein künstlerischer Entwurf. Hier, am Lago d'Iseo, ließ er sich besonders gut umsetzen.

Gab es denn überhaupt keine Probleme mit den zuständigen Bau- und Sicherheitsbehörden?

Natürlich gab es Auflagen. Aber die erfüllen wir alle. Wir lassen die Menschen genügend Abstand zum Rand halten. 150 Wachleute überwachen das permanent. Auch sind 30 Rettungsschwimmer in Booten die ganze Zeit unterwegs. Wir haben wirklich alle Register gezogen, die es den italienischen Behörden leicht machten, unser Projekt zu genehmigen.

Wären solche Stege denn auch am Chiemsee . . .

Neee!

. . . zum Beispiel hinüber zur Fraueninsel möglich?

Neee!

Warum denn nicht?

Ach, in Deutschland haben wir das gar nicht versucht. Auf die Idee wären wir gar nicht gekommen. Christo hat es mal in Argentinien ausprobiert, im Jahr 1970 am Río de la Plata in Buenos Aires. Aber da sind wir bei der zuständigen Behörde letztlich nie so richtig gelandet. Hatte aber nichts mit Sicherheitsbedenken zu tun. Das zweite Mal haben wir es 1996 in Japan probiert, wo wir im Hafenbereich von Tokio etwas Ähnliches machen wollten. Aber mit festen Inseln. Gescheitert sind wir auch dort. Auch nicht aus Gründen der Sicherheit.

Aber Herr Volz, die Sicherheitsbedenken sind doch nicht von der Hand zu weisen. Rutschige Stege, viele Menschen . . .

Jaja, klar. In den USA haben wir mal mit Ingenieuren gesprochen. Die haben auch gesagt, dass die Gefahr, dass etwas passiert und geklagt wird, riesig ist. Vor den Anwälten haben doch heute alle Angst. Aber am Ende war einfach ausschlaggebend, dass wir in Norditalien das Projekt machen wollten und einige Seen dort abgefahren sind. Der Lago d'Iseo hat Christo am besten gefallen.

Es gibt keine Geländer.

Die meisten Hafenmolen besitzen keine Geländer. Ist es nicht wohltuend, dass es so etwas überhaupt noch gibt?

Schon. Aber wenn man an einem Wiesn-Wochenende in München mit Kinderwagen aufs Oktoberfest möchte, wird man weggeschickt. Aus Sicherheitsgründen.

Ja, aber bei uns sind immer recht viele Kinderwagen auf dem See unterwegs.

Die Genehmigung verlief vollkommen reibungslos?

Seit 44 Jahren ist Wolfgang Volz (rechts) der exklusive Fotograf und Projektleiter des Künstlers Christo (links). (Foto: Hannelore Foerster/Getty Images)

Die Insel, zu der unser Pier führt, ist Privatbesitz. Sie gehört der Familie Beretta. Die Waffenfabrikanten? Das ist eine wichtige italienische Familie, die unsere Idee aber sehr mochte und uns den lokalen Behörden vorgestellt hat. Alles ganz entspannt.

Wäre die Sache ähnlich unkompliziert verlaufen, wenn ein junger unbekannter Künstler dieses Projekt . . .

Der Sicherheitsaufwand, den wir treiben, der ist natürlich nicht ganz unerheblich. Da brauchen Sie schon die richtigen Leute.

Und wenn jetzt jemand runterrutscht?

Unsere drei Kilometer sind wirklich besser bewacht als jede normale Mole in Norditalien und auf der ganzen Welt. Vor zwei Jahren haben wir ein kleines Probestück der "Floating Piers" ausprobiert. Übrigens in Schleswig-Holstein. Aber das war ein Geheimprojekt. Der Stoff stammt auch aus Deutschland. Aus Greven. Vernäht wurde er in Lübeck.

Tatsächlich?

Wissen Sie, ich war ja mal Geschäftsführer der "Wrapped Reichstag"-GmbH. Das Projekt haben wir auch durchgezogen. Unsere Projekte erscheinen immer unmöglich. Aber wir kriegen sie trotzdem hin.

Beim Reichstag ging es doch eher um die politische Frage, ob man den überhaupt verhüllen darf.

Ja, aber Sicherheitsbedenken gab es auch. Am Ende haben wir alles ausgeräumt. Ist halt immer eine Frage des Teams und der Kommunikation.

Als Christos Exklusiv-Fotograf: Wie verbringen Sie die Zeit bis zum 3. Juli, an dem die Pontons wieder verschwinden? Vor allem mit Kamera im Hubschrauber?

Oh, ich habe wirklich schon so viel Lebenszeit im Hubschrauber verbracht. Aber dieses Projekt erschließt sich am besten über das Gehen. Deshalb mag ich es auch so sehr. Als Fotograf lohnt sich da oft die ebenerdige Perspektive.

Und bisher gab es keine Zwischenfälle?

Bisher ist nur einer in den See gefallen. Und das war ich. Im Hafen von Sulzano. Aber das war schon vor ein paar Monaten. Ich hab's überlebt, meine Kamera auch. Nur das Objektiv war kaputt. Und auch mein Telefon.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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