Chinesischer Tourist:Verschwunden

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Die Geschichte von Junliang L. und seinem wohl versehentlich unterschriebenen Asylantrag machte Schlagzeilen. Sie ist allerdings noch nicht zu Ende.

Von Kim Ruoff

Zuerst landete Junliang L. in mehreren deutschen Flüchtlingsunterkünften, danach als "Der chinesische Tourist" auf beinahe jedem Nachrichtenportal. Der Fall eines Reisenden, der womöglich aus Versehen in die Mühlen des deutschen Asylverfahrens rutschte, war in dieser Woche nicht nur in Deutschland eine oft beschriebene und erzählte Geschichte. BBC, Guardian, Washington Post - alle wollten sie wissen, was dem jungen Mann widerfahren war. Die Bild startete gar einen Aufruf auf Mandarin: "Lieber Junliang, bitte melde dich doch bei uns."

Junliang L. hat sich nicht gemeldet. Er verschwand einfach. Man ging davon aus, der 31-Jährige sei längst zu Hause. Habe die Erfahrungen vielleicht schon überwunden, sie zu einer lustigen Anekdote verwandelt. Nun aber zeigt sich: Sein Reisepass wurde nicht abgeholt, er liegt noch immer in der Erstaufnahmeeinrichtung Dortmund. L. hat sich auch dort nicht gemeldet. Jetzt haben sich mehrere Ministerien und das Auswärtige Amt eingeschaltet, der Reisepass soll bis auf Weiteres verwahrt werden, sagte eine Sprecherin der Stadt Dortmund am Freitag.

Ohne Pass kann er nicht ausreisen, ohne Visum darf er sich nicht im Bundesgebiet aufhalten. Seine Aufenthaltsgenehmigung im Schengen-Raum war begrenzt auf den Zeitraum vom 1. bis zum 25. Juli 2016. Wie in einem Asylverfahren üblich, wurde Junliang L. der Pass samt Visum bei der Verteilung auf ein Bundesland abgenommen. Der Chinese wurde von Heidelberg nach Dortmund geschickt, sein Pass sollte ihm nachgesendet werden. Fast zwei Wochen vergingen, bis die Papiere in Dortmund ankamen. L. hatte das Flüchtlingsheim Dülmen da aber schon verlassen.

Die Suche nach dem chinesischen Touristen wirft längst mehr Fragen auf, als sie Antworten liefert. Anfang Juli wurde ihm, laut eigener Aussage, bei seiner Ankunft am Stuttgarter Flughafen das Portemonnaie geklaut. Statt bei der Bundespolizei in Stuttgart meldete sich der 31-Jährige am Abend bei einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Karlsruhe und landete über mehrere Stationen schließlich in einem Flüchtlingsheim in Dülmen, Nordrhein-Westfalen. Auf seiner Odyssee durch vier deutsche Flüchtlingseinrichtungen hat Junliang L. einen widersprüchlichen Eindruck hinterlassen. Noch in Heidelberg unterschrieb er ein Formular auf Mandarin, das ihn auf den weiteren Verlauf des Asylverfahrens hinwies. In Dülmen erklärte er, dass er überhaupt kein Asyl beantragen wolle.

Wollte er? Wollte er nicht? Die Antwort kann nur Junliang L. geben, und das heißt: Die Geschichte wird mindestens ein paar Menschen in Dortmund noch eine Weile beschäftigen.

© SZ vom 13.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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