Cannabis als Medizin:Im Biotop des Bunkerbauern

Warum dem einzigen Mann im Land, der erlaubterweise Haschisch anbaut, jetzt das Wasser abgegraben wird.

Von Christina Berndt

Wenn Manfred Sawatzky zu seiner Firma fährt, bremst er bei jedem Gelb. Auch wenn die Ampel gerade erst umgesprungen ist: Sawatzky hält an. "Ich fahr nicht mal mehr schwarz mit der U-Bahn", sagt der Mann, der leicht untersetzt ist, aber gewiss nicht gesetzt wirkt. "Ich bin richtig brav geworden."

Cannabis

Deutschlands einziger legaler Dealer hat keine Kunden mehr.

(Foto: Foto: dpa)

Ärger mit den Gesetzeshütern kann Sawatzky nicht brauchen. Zu heikel ist seine Arbeit. Da ist es besser, wenn die Obrigkeit einen guten Eindruck von ihm hat. Denn Sawatzky ist der erste und einzige Mensch in Deutschland, der mit offizieller Genehmigung Cannabis anbaut. Deshalb hat er sich das mit den gelben Ampeln angewöhnt.

Aber jetzt verstößt er doch gegen die Regeln. Wenn er an diesem sonnigen Wintermorgen einer Journalistin seinen Arbeitsplatz zeigt, bricht er ein Versprechen, an das er sich jahrelang penibel gehalten hat. Zu schweigen, das war eine von zahlreichen Maßgaben, die der Staat Sawatzky auferlegte.

"Aber die Gegenseite hält sich ja auch nicht an die Abmachungen", sagt er und parkt seinen alten Wagen. Er hat sein Ziel erreicht. Einen Luftschutzbunker. Mitten in München.

Trotzig stapft der Mann mit den dunklen Locken auf seinen eigentümlichen Firmensitz zu. Nach zähem Ringen hat ihm die Bundesopiumstelle vor vier Jahren erlaubt, Haschisch-Pflanzen zu medizinischen Zwecken zu züchten.

Ausgerechnet von Rot-Grün droht das Aus

Damals hatte die Bundesregierung noch Interesse an dem Stoff. Doch nun droht sie sein Biotop zu zerstören, das hinter zwei Meter dicken Mauern vor Blicken und Begehrlichkeiten geschützt ist.

Einmal hat tatsächlich jemand versucht, in den Bunker einzubrechen. "Aber das waren Jugendliche", sagt Sawatzky, "der Versuch war völlig dilettantisch." Die Polizei hat sich denn auch herzlich wenig für die Tat interessiert.

"Die Polizisten wollten lieber mal die Pflanzen sehen", erzählt Sawatzky. Ausgerechnet mit den konservativen Bayern hat der Selfmade-Gärtner keinen Ärger. Aus dem rot-grünen Berlin aber droht seinen Pflanzen jetzt der Tod.

Bunker zum Stromsparen

Fast gemütlich ist es an diesem Wintertag hinter den Kriegsmauern. Mühsam hat Sawatzky sein Beton-Gewächshaus auf heimelige 27 Grad Celsius aufgeheizt. Wie Lianen hängen Pflanzenleuchten von der Decke und kämpfen gegen die Finsternis in dem fensterlosen Gemäuer an.

"Eigentlich wollte ich mit dem Botanischen Garten zusammenarbeiten", sagt Sawatzky und stöhnt über seine immense Stromrechnung. "Aber die Glashäuser waren den Behörden zu unsicher." Deshalb kam er auf die Idee mit dem Bunker. Die Stadt München war ebenso kooperativ wie die bayerische Polizei: "Sie haben mir ihren schönsten gegeben, damit ich nicht in der Schmuddelecke lande", sagt er. "Der steht außen sogar unter Denkmalschutz."

Auch innen ist das kuriose Gewächshaus schmucker, als man es von so einem Zufluchtsort erwarten möchte. Literweise hat Sawatzky hier weiße Farbe über die Wände verteilt, um die depressive Stimmung des Krieges zu übertünchen. Die Schriftzüge aber hat er belassen: "Wachraum", "Pissort" oder "Aborte Männer" steht noch über den Türzargen.

"Rauchen verboten"

Manches lässt einen lächeln: "Rauchen verboten" heißt es ausgerechnet an den Wänden jener Aufenthaltsräume, in denen die Cannabis-Pflanzen jetzt zwischen Schießscharten zum künstlichen Licht aufschießen. Dieser Hanf ist wirklich nicht zum Rauchen gedacht, Sawatzky darf ihn nur an Wissenschaftler und Pharmafirmen verkaufen.

Im Biotop des Bunkerbauern

Seit vier Jahren schon gärtnert Sawatzky im Bunker. Wo genau, das wissen nur die Landeshauptstadt und die Polizei. Damals, als er die Genehmigung für seine außergewöhnliche Gärtnerei bekam, ging für ihn ein Traum in Erfüllung. Seit er von Aids-kranken Bekannten gehört hat, wie sehr Haschisch ihre Leiden lindert, hat er sich für den legalen Anbau eingesetzt.

Als Medikament nicht freigegeben

"Ein Freund von mir hat Morphin gegen seine Schmerzen bekommen. Aber davon war er den ganzen Tag benebelt. Mit Cannabis konnte er wieder am Leben teilhaben", erzählt Sawatzky. Jahrelang hat der gelernte Bauzeichner versucht, die Bundesopiumstelle von seinem Plan zu überzeugen - zunächst vergeblich. Als dann doch die Zusage kam, hat er gekündigt und seine Firma "Südhanf" gegründet.

Viele Patienten schwören auf die heilende Wirkung von Haschisch. Es regt den Appetit an, wenn Krebs- und Aidskranke immer mehr an Gewicht verlieren. Es entspannt die verkrampften Muskeln von Menschen mit Multipler Sklerose und es lindert die Pein von Schmerzpatienten.

Die Regierenden aber fürchten das Haschisch. Im Gegensatz zu Opiaten wie Morphin, die stark abhängig machen, ist Cannabis als Medikament nicht freigegeben. Dabei wollte die rot-grüne Bundesregierung das längst ändern. Schon Ende 2001 sollte es in der Apotheke ein Cannabis-Extrakt auf Rezept geben, versprach sie.

Verbrannt im Heizkraftwerk

Pharmafirmen begannen sich da für das alte Heilmittel zu interessieren - doch wer ein Cannabis-Extrakt herstellen will, braucht eben auch Cannabis.

So kam es schließlich zu Sawatzkys Ausnahmegenehmigung, und Merck und Bionorica wurden seine Kunden. Einige Kilogramm Cannabis-Blüten hat Sawatzky in den letzten vier Jahren verkauft - im "Sanitätsraum" hat er sie getrocknet und im "Wachraum" abgepackt.

Im Biotop des Bunkerbauern

Wegkommen durfte dabei nichts. Sawatzky wirft nicht einmal das fort, was als Medizin nicht taugt. In großen Säcken fährt er die Stängel zum Verbrennen ins städtische Heizkraftwerk.

Viel Arbeit mit den Hanfpflanzen

"Ich führe über alles Buch, was ich mit den Pflanzen mache. Jedes Stück, das ich pflanze, abschneide oder vernichte, schreibe ich auf", sagt Sawatzky. Die Bücher sind entsprechend dick. Hanfpflanzen machen viel Arbeit. "Das sind ja alles Mädel", sagt Sawatzky und grinst. "Die sind wie im wirklichen Leben. Einige brauchen mehr, andere weniger Zuwendung."

Sawatzky war soweit ganz glücklich mit den vielen Mädels. "Aber dann gab es plötzlich diesen Sinneswandel in Berlin", wie Karsten Albert vom Deutschen Arzneimittel-Codex sagt. Der Pharmazeut sollte eigentlich im Auftrag der Bundesregierung einen Qualitätstest für Cannabis entwickeln und so dafür sorgen, dass die Droge überhaupt in die Apotheken kommen konnte.

"Mir tun die Patienten leid"

Doch Anfang letzten Jahres verkündete die Regierung, Studien hätten den medizinischen Nutzen nicht hinreichend erwiesen. Vorerst werde kein Extrakt verschreibungsfähig gemacht. "Die Politik wollte das heiße Eisen wohl nicht anfassen", glaubt Albert. "Mir tun jetzt vor allem die Patienten Leid. Die schwerkranken Leute müssen sich am Bahnhof versorgen."

Deutschlands einziger legaler Dealer hat dagegen keine Kunden mehr. Die Pharmafirmen haben sich nach dem Berliner Gesinnungswandel aus dem Hanf-Geschäft zurückgezogen. Nun will Sawatzky vor Gericht dafür kämpfen, dass er seinen "bayerischen Medizinalhanf" an Apotheken abgeben darf, wo ihn Patienten gegen ein Betäubungsmittelrezept bekommen sollen.

"Die Lage ist doch schizophren und inhuman", schimpft Sawatzky. "Die Kranken dürfen Cannabis benutzen, aber nicht anbauen und kaufen. Und ich habe eine Anbaugenehmigung, darf meine Ernte aber nur an Pharmafirmen abgeben, die sie nicht mehr gebrauchen."

Die Hoffnung blüht in Sawatzky trotzdem noch. "Mir ist immer am Anfang alles abgelehnt worden", sagt er und wirkt dabei so unerschütterlich wie sein Bunker. "Aber das dauert ein Jahr und dann wird es doch genehmigt."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: