Birkenstock-Erben:Im Namen der Sandale

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Im rheinischen Siebengebirge fetzt sich der Clan der Birkenstocks: Eine Ehescheidung hat zu einem erbitterten Sandalen-Streit im traditionsreichen Familienunternehmen geführt.

Von Michael Kläsgen

Wieder klingelt das Telefon. Diesmal ist die Tochter dran. "Nimm lieber das Taxi", sagt Susanne Birkenstock, "es ist schon spät." Am großen Tisch im Wohnzimmer liest ein Verlagslektor derweil die Druckfahnen eines Buches, das sie gerade schreibt.

Nicht nur bequem und gesund, inzwischen auch recht ansehlich: die Birkenstock-Sandalen. (Foto: Foto: ddp)

Freundlich komplimentiert sie ihn in ein anderes Zimmer ihrer hochaufragenden Villa, die in Bad Honnef südlich von Bonn am Rheinufer liegt. Dann zündet sich die 33-Jährige eine Zigarette an.

Doch bevor sie Zeit zum Reden findet, muss sie noch kurz ihren Anwalt anrufen. Dazu zieht sie sich diskret zurück.

Es geht um ihre Scheidung von Christian Birkenstock, einem der drei Erben der Traditionsfirma Birkenstock, die sich ihren Namen gemacht hat mit der Herstellung von Gesundheitsschuhen. Seit einem Jahr leben die beiden getrennt, sie reden nur noch über ihre Anwälte. Und die haben sich nichts Erfreuliches mitzuteilen.

Denn nicht nur die Scheidung liefert Konfliktstoff, sondern die Angeheiratete und der Clan streiten auch erbittert ums Geschäft: um die Rechte an der Marke Birkenstock.

Sandalen gegen Cellulitis

Susanne Birkenstock hatte sich erlaubt, gegen den Willen der Familie eine eigene Gesundheitssandale mit dem Namen Beautystep zu kreieren, die beim Träger die Durchblutung fördern und so der Cellulitis vorbeugen soll.

Seit Monaten hagelt es nun Unterlassungserklärungen, einstweilige Verfügungen oder Vergleichsvorschläge. Zum Showdown kommt es womöglich an diesem Donnerstag im Kölner Landgericht.

Dort sollen auf Wunsch des zuständigen Richters erstmals in öffentlicher Sitzung alle drei Birkenstock-Erben erscheinen. Seitdem ihr Vater Karl, der Erfinder der legendären Fußbett-Form und langjährige Firmenpatriarch, seinen Söhnen Christian, Stephan und Alex 2002 die zwölf Marken des Unternehmens übertragen hatte, sind sie die Gesellschafter und Geschäftsführer. Und seither lassen sie keinen Zweifel daran, dass sie fest entschlossen sind, den kostbaren Namen zu schützen.

Auseinandersetzungen dieser Art hat es in Familienunternehmen immer wieder gegeben. Gucci, Underberg oder Joop sind Beispiele dafür. Nun kommt die seit 1774 bestehende Dynastie Schuhmacher aus Vettelschoß im Siebengebirge hinzu. Man fühlt sich an Seifenopern wie Denver oder Dallas erinnert.

Das Drama begann, als die angeheiratete Susanne Birkenstock sich vor einem Jahr selbstständig machte und ihr Modell Beautystep auf Anhieb 30000 mal verkaufte. Weder sie noch manche Medien unterschieden dabei anfangs zwischen ihrer Sandale und denen aus dem Hause Birkenstock. Im Gegenteil:

Die junge blonde Frau, der im Clan die Rolle der Hausfrau und Mutter zugedacht war, ließ sich als "Schuh-Psychologin" feiern und als diejenige, die dem verschwiegenen Unternehmen ein Gesicht gegeben habe. Sie habe den "Schuhen mit dem Öko-Image einen neuen Look" verpasst, schrieb die Zeitschrift Woman-magazin.

Schlange stehen in London

Sogar der Umstand, dass die Korksohlentreter im Ausland hipp wurden und Käufer am Londoner Covent Garden vor dem Birkenstock-Laden Schlange standen, wurde ihr als Verdienst angerechnet.

Die Erben waren alarmiert. Per Unterlassungserklärung forderten sie Susanne Birkenstock auf, weder mit ihrem eigenen noch dem Namen der Familie eigene Schuhe zu verkaufen oder dafür zu werben. "Das habe ich erstens nie getan und zweitens nie beabsichtigt", sagt Susanne Birkenstock. "Denn meine Firma heißt SB International. Und nur mit diesem Namen werbe ich."

Nun ja, im Fernsehen sind Werbespots über die wundersame Wirkung der Anti-Cellulitis-Sandale zu sehen, an deren Ende die schöne Blonde lächelnd auftaucht und versichert: "Dafür stehe ich persönlich mit meinem Namen." Der Name wird eingeblendet.

"Da musste ich lachen, als ich das gesehen habe", sagt Christian Birkenstock. "Mein Gott, Susanne, dachte ich, das hast du doch nicht nötig. Aber meine Frau versucht eben einfach immer alles herauszukitzeln." Der 32-Jährige sitzt im Empfangszimmer der Burg Ockenfels oberhalb der Stadt Linz am Rhein südlich von Bad Honnef.

Von dort aus kann man den Flusslauf über Kilometer hinweg verfolgen und über eine sanfte Hügellandschaft bis hin zum neuen Domizil von Thomas Gottschalk am anderen Ufer schauen. Im Kamin lodert Feuer. Unaufdringliche Musik erfüllt den Raum. Ein Bediensteter reicht Amuse-Gueules.

"Sparsamst aufgewachsen"

Christian Birkenstock, ein kräftiger Mann im Pullover, mit mittellangem gegeltem Haar, bemüht sich, keine bösen Worte über seine bisherige Gattin zu verlieren. Dagegen lobt er ihre Hausfrauenqualitäten und erzählt nebenbei, wie er "sparsamst aufgewachsen" sei und mit den Brüdern sogar das Badewasser geteilt habe.

Er sagt aber auch: "Diesen Schuh von meiner Frau, den gibt es schon seit 30 Jahren. Das nennt man ,Negativ-Absatz'." Für Birkenstock ist das nach seiner Meinung nichts. "Ich meine das aber gar nicht negativ."

Spricht man Susanne Birkenstock darauf an, bricht sie in Lachen aus. Sie läuft in ihrer Villa auf und ab, raucht und kramt, als das Telefon gerade einmal nicht klingelt, einen Händlerprospekt der Firma Birkenstock vom vergangenen Jahr hervor. Darin ist ihr Beautystep zu sehen, neben der Abbildung steht aber der Name Helena. Ein Versehen angeblich.

"Deswegen mussten die eine Unterlassungserklärung unterschreiben", sagt sie. Es fuchst sie, dass der Helena dem Beautystep so sehr ähnele: "Die haben da nur einen Keil drunter geschoben." "Quatsch", meint Christian Birkenstock. "Der Helena wurde schon vor dem Beautystep in den USA verkauft." Aber hieß es nicht vorher, Birkenstock produziere keine Anti-Cellulitis-Sandalen?

Eines jedenfalls bestätigt sich auch in diesem Fall: Die Birkenstocks waren nie gut darin, sich elegant aus einer Affäre zu ziehen. Noch heute haftet ihnen das Image an, beinharte Betriebsratsgegner zu sein, weil es vor mehr als zehn Jahren zu einem Konflikt mit den Beschäftigten kam. Vater Karl bemühte sich nie aktiv, den Ruf der Firma aufzupolieren, in vier Jahrzehnten gab er nur ein einziges Zeitungs-Interview.

250.000 Euro Ordnungsgeld - oder Haft

Auch diesmal versuchte man, sich des Problems in aller Stille zu entledigen. Erst sollte es Teil eines Vergleichs sein, dass die Angeheiratete über ihre Vergangenheit bei den Birkenstocks schweige und Interviews dem Clan zur Genehmigung vorlege. Als Susanne Birkenstock dies ablehnte, begann die Firma, dorthin, wo sie als Rednerin auftrat, an Universitäten oder vor Handelskammern, "Richtigstellungen" zu schicken.

Inzwischen hat das Landgericht Bonn unter Androhung von 250.000 Euro Ordnungsgeld oder Haft verfügt, dass der Inhalt jener "Richtigstellungen" nicht wiederholt werden darf. Man hatte ihr vorgeworfen, die Marke Birkenstock "extrem dreist" auszubeuten und die Öffentlichkeit zu täuschen. "Da steckt in jedem einzelnen Satz ein Rufmord", findet die Abtrünnige.

Allerdings hat die öffentliche Auseinandersetzung ihr offenkundig nicht nur Nachteile eingetragen, sondern sie auch bekannt gemacht. Unlängst lud sogar Bundesministerin Renate Schmidt sie zu einem Vortrag nach Berlin ein. Thema: Frauen machen Karriere.

© SZ vom 9.2.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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