BGH-Urteil:Sicherungsverwahrung gegen Kinderschänder aufgehoben

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Siegmar F. darf nicht weggesperrt werden: Der Bundesgerichtshofs hat die nachträgliche Sicherungsverwahrung gegen den verurteilten Kinderschänder aufgehoben.

Für Schwerverbrecher wie den Mörder des neunjährigen Mitja aus Leipzig oder den Sexualtäter Mario M., der die 13-jährige Stephanie aus Dresden als Sexsklavin hielt, haben Gerichte gleich mit der Haftstrafe auch Sicherungsverwahrung angeordnet. Das bedeutet, dass der Verurteilte nach Verbüßung seiner Gefängnisstrafe nicht auf freien Fuß kommt, sondern anschließend für unbestimmte Zeit hinter Gittern bleibt.

(Foto: Foto: dpa)

Schwere Frage für die Gerichte

Alle zwei Jahre wird dann geprüft, ob der Täter weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt und ob er rückfallgefährdet ist. Eine Sicherungsverwahrung kann auch nachträglich angeordnet werden, wenn sich während der Haftzeit neue, für eine Wiederholungsgefahr relevante Tatsachen ergeben. Für die Gerichte ist es immer eine äußerst schwere Frage, ob sie dieses Instrument anwenden.

Der Bundesgerichtshof beschäftigte sich am Dienstag mit der Klage des verurteilten Kinderschänders Siegmar F. gegen die nachträgliche Anordnung von Sicherungsverwahrung. Es sind abscheuliche Verbrechen, die zu seiner Verurteilung führten: 1998 hatte er immer wieder in Tschechien Kinder sexuell missbraucht.

Seine Taten nahm er auf Video auf, um sie später in der Pädophilen-Szene zu verbreiten. Sein jüngstes Opfer war gerade einmal acht Jahre alt. 1999 wurde der Täter zu einer achtjährigen Gefängnisstrafe verurteilt.

Erst als der Kinderschänder seine Haftstrafe abgesessen hatte, verhängte das Dresdner Landgericht die Sicherungsverwahrung.

Dagegen ging der Mann in Berufung - und hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hob das Dresdner Urteil auf und verwies dabei auf Rechtsfehler.

Nicht zur Korrektur von Fehlern

Einer der schwersten Fehler war demnach, dass die Dresdner Richter es versäumt hatten, ein psychiatrisches Gutachten über den Triebtäter erstellen zu lassen. Die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung sei aber nicht dazu da, um Fehler einer früheren Entscheidung zu korrigieren.

Außerdem lasteten die Bundesrichter ihren Dresdner Kollegen an, sie hätten nicht aufgezeigt, dass von dem verurteilten Täter weiterhin die Gefahr ausgehe, dass er schwere Straftaten begehen würde. Auch wenn dies 1999 eventuell nicht absehbar gewesen sein könnte, so müssten neue Tatsachen die nachträgliche Sicherungsverwahrung begründen.

Auf ein ganz anderes Problem stoßen die Richter in Ostdeutschland, wenn sie es mit Rückfalltätern aus DDR-Zeiten zu tun haben. Bei der Wiedervereinigung hatten die Verhandlungspartner aus der DDR im Einheitsvertrag festhalten lassen, dass die Sicherungsverwahrung auf dem Gebiet der neuen Bundesländer zunächst keine Anwendung findet.

Begründet wurde dies historisch: Die Sicherungsverwahrung war erst 1933 ins Strafgesetzbuch aufgenommen worden. Das oberste Gericht der DDR hatte 1952 entschieden, dass die Maßregel nationalsozialistisch sei und deshalb in der DDR nicht verhängt werde.

Bei den Verhandlungen zum Einigungsvertrag führten die Vertreter der ostdeutschen Länder an, die Bürger dort hätten mit solchen Maßregeln Probleme. Denn damit würden sie nicht nur den Unrechtsstaat der NS-Zeit verbinden. Auch in der DDR seien Regimegegner mit ähnlichen Instrumenten zum Beispiel in die Psychiatrie eingewiesen worden.

Warnung vor populistischer Panikmache

Doch nicht nur in Ostdeutschland ist die Sicherungsverwahrung umstritten gewesen. Auch im Westen Deutschlands gab und gibt es erhebliche Bedenken gegen die Maßnahme, die nach Ansicht des Tübinger Strafrechtsprofessors Jörg Kinzig eine Haft für noch nicht begangene Straftaten darstellt. Als im Rechtsausschuss des Bundestages Rechtsexperten Stellung nahmen, erklärte Kinzig, es gebe erhebliche verfassungs- und menschenrechtliche Bedenken gegen die Maßregel.

Der Deutsche Anwaltverein warnte vor populistischer Panikmache. Besser als ein Wegsperren für immer seien Maßnahmen zur Resozialisierung.

© Jörg Aberger, AP/sma - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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