Umstrittene Mutterschaft:Berliner Vierlinge dürfen bald nach Hause

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  • Die Vierlinge, die eine 65-Jährige im Mai in Berlin zur Welt gebracht hat, könnten bald aus dem Krankenhaus entlassen werden.
  • Die höchstumstrittene Mehrlingsschwangerschaft hatte weltweit großes Aufsehen erregt.

Von Verena Mayer, Berlin, und Christina Berndt, Berlin/München

Vor ihrer Geburt war die Empörung groß, dann waren es die Sorgen um ihre Gesundheit. Doch den Vierlingen, die Annegret Raunigk im Alter von 65 Jahren im Mai in der Berliner Charité zur Welt gebracht hat, geht es erstaunlich gut. Demnächst könnten die fünfzehn Wochen zu früh geborenen Kinder nach Hause kommen. Dort warten ihre inzwischen pensionierte Mutter und eine neunjährige Schwester auf sie. Die Vierlinge hätten sich so positiv entwickelt, dass man sich Gedanken über eine Entlassung mache, sagt eine Sprecherin der Berliner Charité.

Wann das genau sein wird, ist unklar. In der Neonatologie könnten jederzeit unerwartete Vorkommnisse eintreten, so die Sprecherin. Über den Gesundheitszustand der Kinder und darüber, ob sie Folgeschäden davontragen werden, will man in der Charité nur eines sagen: Es gehe ihnen den Umständen entsprechend gut. Das Krankenhaus ist nicht nur an die ärztliche Schweigepflicht gebunden, die Mutter, eine nunmehr pensionierte Lehrerin, hat auch einen Exklusivvertrag mit dem Fernsehsender RTL abgeschlossen.

Vierlingsgeburt durch 65-Jährige
:Vier Mal "Hochrisiko"

Die 65-jährige Annegret Raunigk hat Vierlinge zur Welt gebracht - mehr als drei Monate zu früh. Jetzt äußern sich die Ärzte erstmals zum Zustand von Kindern und Mutter.

Von Verena Mayer

Der begleitet Annegret Raunigk mit der Kamera, seit die 65-Jährige im Ausland eine Eizell- und Samenspende erhalten hat. Eine Sprecherin von RTL sagt, die Ärzte hätten zwar einige Kämpfe ausfechten müssen, "aber sie haben alle vier Kinder durchgebracht". Keines der Kinder sei mehr in einem Brutkasten. Unmittelbar nach der Geburt war die Lage kritisch, die Ärzte sprachen damals von "Hochrisiko-Patienten". Denn keines der Kinder brachte ein Kilogramm auf die Waage, das leichteste wog gar nur 655 Gramm. Zwei von ihnen mussten beatmet werden, das einzige Mädchen wurde einer Operation am Darm unterzogen. Das sei nun vorbei. Alle vier können selbständig atmen, sie haben kräftig an Gewicht zugelegt, einer Verlegung nach Hause steht nichts mehr im Wege. Die Mutter freue sich schon auf ihre Kinder, so die RTL-Sprecherin.

Die Vierlinge haben weltweit großes Aufsehen erregt. Mit ihren 65 Jahren ist Raunigk zwar nicht die älteste Mutter der Welt. Aber vor ihr hat noch keine Frau in so fortgeschrittenem Alter Vierlinge zur Welt gebracht. Um schwanger zu werden, fuhr sie in die Ukraine, wo man ihr Embryonen einsetzte, die nicht nur mit dem Samen eines unbekannten Spenders, sondern auch mit Eizellen gezeugt worden waren, die eine fremde Frau zur Verfügung gestellt hatte.

In Deutschland ist eine solche Eizellspende verboten. Selbst Reproduktionsmediziner reagierten entsetzt und nannten das Verhalten der Mutter im Oma-Alter fahrlässig. Auch hatten ukrainische Ärzte der Frau gleich vier Embryonen eingepflanzt. Dies ist in Deutschland ebenfalls illegal. Das Gesetz erlaubt höchstens drei, üblicherweise werden einer Frau maximal zwei befruchtete Eizellen übertragen - um höhergradige Mehrlingsschwangerschaften zu verhindern.

Das Risiko, dass die Kinder Schäden davontragen, bleibt

Als Motiv für ihren Kinderwunsch über alle Grenzen hinweg benannte die alleinerziehende Raunigk, die bereits 13 ältere Kinder hat, dass ihre jüngste Tochter sich ein Geschwisterchen wünsche. Die heute Neunjährige hat Raunigk angeblich noch auf natürlichem Wege bekommen, da war sie auch schon 55 Jahre alt.

Gewöhnlich werden Frühgeborene etwa bis zu dem Termin im Krankenhaus behalten, der nach einer normalen Schwangerschaft ihr Geburtstag gewesen wäre. Das wäre bei den Vierlingen Ende August der Fall. Somit scheint alles doch besser verlaufen zu sein als nach der Geburt befürchtet. Im Mai mussten zur Versorgung der Babys noch zwei Ärzte und zehn Schwestern zusätzlich eingesetzt werden.

Das Risiko, dass die Kinder Schäden davontragen, bleibt. Im Durchschnitt werden Vierlinge zehn Wochen vor dem errechneten Geburtstermin geboren, so Alexander Strauss, Experte für höhergradige Mehrlingsschwangerschaften am Universitätsklinikum Kiel. Die Berliner Vierlinge mussten 15 Wochen zu früh geholt werden, weil die Mutter an Bluthochdruck litt und ihre Gesundheit gefährdet war. Statistiken zufolge lernen so zeitig geborene Babys spät laufen und sprechen, der Großteil holt das aber bis zur Einschulung auf. Allerdings haben 35 Prozent dieser Kinder ihr Leben lang eine Behinderung.

© SZ vom 05.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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