Bergungsaktion am Amazonas:Keine Hoffnung mehr auf Überlebende

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Beim schlimmsten Flugzeugunglück in der Geschichte Brasiliens wurden beim Absturz einer Boeing im dichten Urwald alle 155 Insassen getötet.

Es gebe definitiv keine Hoffnung mehr, Überlebende zu finden, sagte der Chef der Flughafenverwaltungsbehörde Infraero, Generalmajor José Pereira.

Luftbild der brasilianischen Luftwaffe - das Wrack ist im dichten Wald kaum auszumachen. (Foto: Foto: AFP)

Unter den Fluggästen auf dem Weg von Manaus in die Hauptstadt Brasilia war auch ein 48-jähriger deutscher Anthropologe, der in dem südamerikanischen Land lebte. Das bestätigte das Auswärtige Amt in Berlin.

Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. "Ganz Brasilien trauert und weint", sagte er. Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzlerin Angela Merkel kondolierten dem Präsidenten. In einem Hotel in Brasilia, wo die meisten Angehörigen der Passagiere auf Neuigkeiten warteten, spielten sich dramatische Szenen ab. Einige wurden ohnmächtig, als sie die Schreckensnachricht hörten, viele fielen sich weinend in die Arme.

Die Boeing 737-800 der brasilianischen Gesellschaft Gol war am Freitag nach einem Zusammenstoß mit einem kleineren Flugzeug in der Nähe eines Landguts und eines Indio-Schutzgebiets im Dschungel des Bundeslandes Mato Grosso abgestürzt.

Das Wrack wurde erst am Samstag gesichtet. Die inzwischen von den Rettungsteams aus der Luft gesichteten Leichen seien ausnahmslos stark verstümmelt oder verbrannt, sagte Pereira.

Die Luftfahrt-Behörden teilten mit, die Boeing könne schon vor dem Aufprall in Stücke zerfallen sein, da der Wald am Unfallort praktisch unzerstört sei.

Die Maschine sei nach den bisherigen Ermittlungen fast senkrecht auf dem Boden aufgeschlagen, teilte Infraero mit. Die Untersuchung der Unfallursache werde mindestens drei Monate dauern, weil der Unfallort sehr schwer zugänglich sei.

Bei den Such- und Rettungsarbeiten spielen Indianer mit ihren Ortskenntnissen den amtlichen Angaben zufolge eine entscheidende Rolle. Der Unfallort sei fern jeder größeren Stadt, jeder Straße und auch jedes Militärstützpunktes und deshalb praktisch nur von der Luft aus zu erreichen. Beteiligt seien neben den Indios rund 300 Militärangehörige. Acht Flugzeuge und fünf Hubschrauber würden eingesetzt. Die Toten sollten am Sonntag abtransportiert werden.

Das Gol-Flugzeug war am Freitag gegen 22.00 Uhr Uhr MESZ im Luftraum über dem nordbrasilianischen Urwald-Bundesland Pará von den Radarschirmen verschwunden. Flug 1907 hätte am Freitag planmäßig um 18.10 Uhr Ortszeit (23.10 Uhr MESZ) in Brasilia landen sollen.

Nach Angaben von Sprechern der Luftwaffe stieß die Boeing vermutlich mit einer zweimotorigen Privatmaschine vom Typ Embraer Legacy zusammen, die bei dem Unfall eine Tragfläche verloren habe.

Die kleine Maschine, die von einem US-Amerikaner gesteuert worden sei, habe aber dennoch auf einem Militärstützpunkt notlanden können. An Bord dieses Privatflugzeugs, das von Sao Paulo in die USA unterwegs war, waren laut Behörden sieben US-Bürger, darunter auch ein Tourismus-Journalist der Zeitung New York Times.

Die Unfallursache blieb zunächst auch für Experten rätselhaft: Als "unerklärlich" bezeichnete Infraero-Präsident Pereira den Zusammenstoß in der Luft. "Die beiden verwickelten Flugzeugtypen sind das modernste, was es heute in der Luftfahrt gibt, und beide verfügen über ein Antikollisionswarnsystem." Verteidigungsminister Waldir Pires spekulierte über "mangelhafte Aufmerksamkeit" der Gol-Piloten.

Experten schlossen Wetterprobleme als Ursache für den Unfall aus. Gol ist eine Billigflug-Linie, die 2001 gegründet wurde. Nach dem Bankrott von Varig wurde sie mit einem Marktanteil von 28 Prozent zur zweitgrößten Fluggesellschaft Brasiliens. Das Unternehmen fliegt mit 55 Boeing 737 rund 50 Ziele in Brasilien sowie die südamerikanischen Städte Buenos Aires, Córdoba, Rosario (Argentinien), Montevideo (Uruguay), Santa Cruz de la Sierra (Bolivien), Asunción (Paraguay) und Santiago de Chile an.

Nach Angaben der Gesellschaft war das Unglücksflugzeug vom Hersteller erst am 12. September geliefert worden und bisher nur rund 200 Stunden in der Luft. Der zuvor schlimmste Flugzeugunfall Brasiliens hatte sich im Juni 1982 ereignet. Damals flog eine Boeing 727 der Firma Vasp im Land Ceara gegen einen Berg. Alle 137 Insassen kamen ums Leben.

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