Audienz beim Papst:"Am Ende richtig locker"

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Diesen Interviewpartner gibt es nicht alle Tage: Papst Benedikt XVI. nahm sich in seiner Sommerresidenz Castelgandolfo Zeit für ein Gespräch mit ARD, ZDF, Deutscher Welle und Radio Vatikan. Mit dabei: Der Programmdirektor des ZDF, Thomas Bellut.

Senta Krasser

SZ: Herr Bellut, sind Sie als Katholik beseelt vom Interview mit dem Papst?

Thomas Bellut (2. von links) zu Besuch beim Papst (Foto: Foto: dpa)

Thomas Bellut: Ich habe schon viele Staatsoberhäupter interviewt, aber der Papst ist schon etwas ganz Besonderes. Im Castel war alles sehr gut organisiert. Man dringt in ein Reich ein, das offenkundig kein Führungsproblem hat. Was der Papst will, wird gemacht.

SZ: Ist es schwieriger, den Papst zu interviewen als Bill Clinton?

Bellut: Sowohl Clinton als auch der Papst waren viel entspannter als ihr nervöses Umfeld. Der größte Unterschied ist: Der Papst muss keine Wahl bestehen. Deshalb war Benedikt XVI. von erstaunlicher Gelassenheit. Er war durch keine Frage zu erschüttern. Er ist furchtloser als sein Vorgänger Johannes PaulII., der viel reiste und eher die dekorativen Elemente pflegte. Unter Benedikt XVI. gibt es wohl mehr Mut, sich in der modernen Mediendemokratie offensiv zu zeigen.

SZ: Was fragt man den Papst?

Bellut: Es war ein offenes Gespräch ohne Themenbegrenzung. Ich habe zum Beispiel gefragt, wie der Papst die Lage der katholischen Kirche in Deutschland beurteilt, die ja ihre Probleme hat. Das hat Benedikt XVI. gelassen analysiert. Ich darf aber nicht verraten, wie.

SZ: Wieso nicht?

Bellut: Bevor wir das Gespräch am Sonntag ausstrahlen dürfen, muss das Interview erst in alle Kirchensprachen übersetzt werden. Das schriftliche Wort des Papstes ist weltweit bindend - am mündlichen wird nichts mehr geändert.

SZ: Wie empfanden Sie das Gespräch?

Bellut: Mich hat überrascht, dass der Papst so unkompliziert war. Wir durften frei nachfragen, etwa nach dem Konflikt in Nahost. Natürlich kann es bei vier Interviewern kein Streitgespräch geben. Es war eine Weltpremiere, da ist man vorsichtiger. Beim nächsten Mal werden Kollegen sicher mehr nachhaken.

SZ: Darf man einen Papst unterbrechen wie einen Politiker?

Bellut: Er hätte auch das ertragen, aber es war nicht nötig, weil er mit seinen präzisen Antworten weit unter der veranschlagten Zeit lag. Am Ende wurde er sogar richtig locker - der Papst kann lachen. Nach der Sendung bekam jeder einen Rosenkranz und ein Foto mit ihm.

SZ: Wie harmonisch lief es unter den vier Fragern ab?

Bellut: Es gibt keine Klagen - was unter Journalisten selten ist.

SZ: Dafür gab es vorab deftigen Streit mit der ARD über die Sendezeit.

Bellut: Die ARD wollte das Gespräch zeitgleich mit dem ZDF von 19.30 Uhr bis zur Tagesschau um 20 Uhr ausstrahlen - danach hätten wir im ZDF eine Lücke gehabt, da unser Normalprogramm um 20.15 Uhr beginnt. Das hätte der ARD wohl gefallen. Jetzt senden wir zeitversetzt, das ZDF ist um 22 Uhr dabei. So erreichen wir unterschiedliche Publika - eine biblisch-salomonische Lösung.

SZ: Der Papst ist auch bei Talkmastern begehrt - haben Sie jetzt die Tür für Johannes B. Kerner geöffnet?

Bellut: Darüber habe ich mit Benedikt XVI. nicht geredet. Aber ich glaube, Johannes freut sich, dass sein Programmdirektor auch mal ein Interview führen durfte. Im Übrigen kann ich mir nicht vorstellen, dass der Papst die Umgebung eines TV-Studios sucht.

© SZ vom 8.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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