Attacke auf Niklas P.:Unter Druck

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Trauer am Tatort in Bonn, wo der später verstobene Niklas P. von Schlägern attackiert worden war. (Foto: Marius Becker/dpa)

Nach dem tödlichen Angriff auf den 17-jährigen Niklas P. wollen Medien und Politik möglichst bald einen Schuldigen sehen. Die Polizei meint nun, den Täter gefunden zu haben - und sucht doch weiter.

Von Bernd Dörries, Bonn

Er habe mehr erwartet, sagt Oberstaatsanwalt Robin Faßbender am Mittwochnachmittag in Bonn. Mehr Ergebnisse, mehr Verdächtige. Drei junge Männer hatte die Polizei am Dienstag verhaftet und war sich ziemlich sicher gewesen, die drei mutmaßlichen Täter gefasst zu haben, die in der Nacht auf den 7. Mai den 17-Jährigen Niklas P. zu Tode geprügelt haben. Es klang so, als sei der Fall geklärt, eine Pressekonferenz wurde einberufen, um die Fahndungserfolge zu verkünden.

Nur einige Stunden später sind aus den zwei Verdächtigen wieder recht normale Bürger der Stadt Bonn geworden, die glaubhaft machen konnten, nichts mit der Tat zu tun gehabt zu haben. Es ist ein schmaler Grat in Bonn zwischen dem Wunsch von Öffentlichkeit und Politik, in einem Fall, der viele Menschen bewegt, möglichst schnell Erfolge zu sehen - und dem Wunsch der Ermittler, möglichst gründlich ermitteln zu können.

Medien und Politik wollen die Schuldigen sehen für diese unfassbare Tat

Es ist ein Fall, der ziemlich aufgeladen ist mit vielem, was die Gesellschaft gerade diskutiert. Am Wochenende versuchten Rechte, den Tod von Niklas P. für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, um gegen Zuwanderung und Ausländer im Allgemeinen zu protestieren. Die Stadt stellte sich dagegen, allen voran der CDU-Oberbürgermeister Ashok Sridharan. Von den ursprünglich fest genommenen drei Verdächtigen bleibt der mögliche Haupttäter, 20 Jahre alt, in Italien geboren, wegen "Gewaltdelikten in Erscheinung getreten" und mit einem "weiteren Migrationshintergrund", den die Ermittler nicht erläutern wollen. Sie erzählen ohnehin schon recht viel, zu einem Zeitpunkt, da noch nicht einmal ein Haftrichter entschieden hat, ob er den Verdacht der Staatsanwaltschaft teilt. Der Druck ist hoch für die Ermittler. Medien und Politik wollen die Schuldigen sehen für diese unfassbare Tat, die sich am vorvergangenen Wochenende ereignete.

Es war ein früher Sonntagmorgen, an dem Niklas P., ein Freund und zwei Freundinnen von den Rheinauen zurückkehren, vom Spektakel "Rhein in Flammen", das Zehntausende Zuschauer anzieht. Auf dem Weg zum Bahnhof werden sie im Stadtteil Bad Godesberg angesprochen von wahrscheinlich drei Männern, ohne Anlass, ein paar Provokationen fallen. Niklas P. will die Gruppe zur Rede stellen, wird angegriffen, die Freunde eilen zur Hilfe, werden von der Gruppe angegriffen. Der mutmaßliche Haupttäter schlägt Niklas P. gegen den Kopf, er fällt zu Boden, wird von den Freunden umsorgt, der Täter kommt zurück und tritt Niklas P. gegen den Kopf. Tage später stirbt P. im Krankenhaus.

Am Tatort wurden keine DNA-Spuren gesichert. Die Polizei verteilte Flugblätter, durchsuchte die sozialen Netzwerke und erstellte aus den Hinweisen und den Vorkenntnissen über den Stadtteil Bad Godesberg eine Liste von Personen, deren möglichen "Tatbezug" man "aufhellen" wollte. Bad Godesberg war früher ein gutbürgerlicher Stadtteil in Bonn, in den gerne Diplomaten zogen, heute stehen manche Botschaften leer, es gibt immer mal wieder Probleme mit Migranten und Salafisten. Aber eine No-Go-Area ist Bad Godesberg bei weitem nicht. Die Verunsicherung ist groß bei den Bürgern. Ein paar Tage nach der Attacke auf Niklas P. wurde ein Jugendlicher schwer verletzt in der Bonner Innenstadt gefunden, ein 38-Jähriger umgebracht. Einen Zusammenhang gibt es nicht, und die Politik will auch nicht, dass einer hergestellt wird - so wie es die Rechten tun, die behaupten, dass die Stadt ihre Bürger nicht mehr schützen kann.

Man werde rund um die Uhr an der Aufklärung des Todes von Niklas arbeiten, sagt der Leiter der Mordkommission, Franz Wirges. Der Hauptverdächtige habe bei den Vernehmungen angegeben, nichts mit der Tat zu tun gehabt zu haben. "Er hat Angaben gemacht, wo er zur Tatzeit gewesen sein soll, die wir widerlegen konnten", sagt Wirges. Ein Zeuge habe ihn zudem als denjenigen erkannt, der Niklas P. gegen den Kopf getreten habe. Ohne erkennbaren Grund.

© SZ vom 19.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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