Archiveinsturz:Razzia bei den Kölner Verkehrs-Betrieben

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Einen Monat nach dem Archiveinsturz hat die Staatsanwaltschaft die Büros der Beteiligten am U-Bahnbau durchsucht. An der Stadtbahn darf indes weitergebaut werden.

Vier Wochen nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs hat die örtliche Staatsanwaltschaft eine umfangreiche Razzia gestartet. Oberstaatsanwalt Günther Feld bestätigte, dass mehr als 200 Polizisten am Dienstagvormittag rund 40 Büros und Gebäude durchsuchen würden. Darunter seien die Zentrale der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) sowie Büros von Bau- und Ingenieurfirmen. Die geplante Sicherstellung von Unterlagen stehe in Zusammenhang mit dem Bau der U-Bahn in der Kölner Innenstadt, sagte Feld.

Der schiefe Kirchturm, die Überschwemmung in der Baugrube: Beim Kölner U-Bahn-Bau wurde viel ignoriert - eine Chronologie des Wegsehens in Bildern. (Foto: Foto: dpa)

Experten meinen, dass der Einsturz durch Probleme an der Baustelle neben dem Archiv ausgelöst wurde. Bei dem Unglück waren am 3. März zwei Menschen getötet und große Mengen historischer Dokumente verschüttet worden. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und der Baugefährdung gegen Unbekannt. Einzelheiten zu den Durchsuchungen wollte Staatsanwalt Feld nicht nennen - mit Verweis auf laufende Ermittlungen.

Unterdessen wurde bekannt, dass der vorläufige Baustopff der Kölner Nord-Süd-Bahn aufgehoben wurde. Die Auflage wurde nach dem Einsturz des Stadtarchivs auf Wunsch von Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) erlassen. Die Bürger müssten sich aber keine Sorgen machen, sagte Schramma. Unabhängige Gutachter hätten jede einzelne Baustelle besichtigt und ihm schriftlich versichert, dass alles in Ordnung sei.

Die Großrazzia fällt zeitlich zusammen mit einer Tagung des KVB-Aufsichtsrats: Diskutiert werden personelle Konsequenzen aus dem Einsturz des Stadtarchivs - allerdings bislang ohne Folgen. Agenturberichten zufolge soll der umstrittene Technische Vorstand Walter Reinarz (CDU) vorerst nicht abberufen werden. Reinarz steht in der Kritik, weil er wichtige Informationen über Grundwasserprobleme in der U-Bahn-Baustelle neben dem Archiv nicht weitergeleitet hatte. SPD, Grüne und Linke hatten seine Auflösung verlangt.

Experten gehen davon aus, dass schwere Grundwasserprobleme an der angrenzenden U-Bahn-Baustelle den Einsturz ausgelöst haben. Die KVB stehen als Bauherren in der Verantwortung.

Bei der Frage, ob Reinarz seinen Posten abgeben muss, spielen auch seine Bezüge eine Rolle, die möglicherweise weitergezahlt werden müssten. Falls Reinarz kein schuldhaftes Verhalten nachgewiesen werden kann, würde er für die Restlaufzeit seines Vertrages etwa 800.000 Euro und danach eine Jahrespension von etwa 100.000 Euro von den KVB kassieren.

In den vergangenen Wochen sind immer wieder brisante Details ans Licht gekommen: Unter anderem wurde bekannt, dass Bauprotokolle, in denen bereits sechs Monate vor dem Archiveinsturz alarmierende Zwischenfälle beim U-Bahn-Bau vermerkt sind, von der KVB-Führung vertuscht wurden sind. Das geht aus Protokollen hervor, die der Baudezernent Bern Streitberger (CDU) und die KVB zwar spätestens seit dem 12. März kannten, über die sie Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) nicht informierten.

Schramma fühlt sich deshalb "hintergangen" und leitete am vergangenen Montag gegen Streitberger ein Disziplinarverfahren ein. Am Sonntag kündigte der OB nun seinen politischen Rückzug an: Er werde auf die Kandidatur für eine zweite Amtszeit im Spätsommer verzichten.

Auch gegen Schramma selbst ermittelt die Staatsanwaltschaft in Zusammenhang mit dem Unglück: Hintergrund seien angeblich ungenehmigte Tonbandmitschnitte von einer Sitzung des sogenannten Koordinierungsstabs zum Einsturz des Kölner Stadtarchivs. Es gebe einen Anfangsverdacht, hieß es.

© sueddeutsche.de/dpa/hai/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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