Apple-Computer:Auf Trends programmiert

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1984 brachte Apple einen bezahlbaren Desktop-Rechner auf den Markt, der Fenster und Menüs hatte und sich mit einer Maus bedienen ließ - elf Jahre vor Bill Gates. Seit 20 Jahren präsentiert die Firma Innovationen bei Computern und wäre doch fast Pleite gegangen.

Von Michael Lang

Manche Erfindungen liegen einfach in der Luft, bis sie irgendein Daniel Düsentrieb aufgreift. So war das auch vor zwanzig Jahren, als Apple am 24.Januar 1984 den Macintosh-Computer auf den Markt brachte.

Erstmals war ein bezahlbarer Desktop-Rechner in großen Stückzahlen verfügbar, der Fenster und Menüs hatte und sich mit einer Maus bedienen ließ.

Während der Macintosh über seine grafische Oberfläche den Dialog mit dem Nutzer pflegte, warteten konventionelle Computer mit schwarzem Bildschirm und blinkendem Cursor auf getippte Befehle in grüner oder bernsteinfarbener Schrift. Microsoft führte erst elf Jahre später mit "Windows95" eine vergleichbare Benutzeroberfläche ein.

Der "Macintosh" war nicht der erste Coup des Unternehmens im kalifornischen Silicon Valley. Bereits einige Jahre zuvor war der "Apple II" vom Band gelaufen, der erste Personal Computer in Serienproduktion. "Computers for the rest of us", lautete der Werbeslogan - erschwingliche und einfach zu bedienende Rechner zu bauen, war das erklärte Ziel der Gründer Steve Jobs und Steve Wozniak. Doch der Durchbruch blieb den beiden verwehrt, PCs von IBM mit Betriebssystemen von Bill Gates' Microsoft avancierten zum Volkscomputer.

Das Unternehmen aus Cupertino in Kalifornien, das die Entwicklung angestoßen hatte, übernahm aber die Vorreiterrolle bei der Einführung neuer Technologien. Dabei erwies sich Apples Firmenphilosophie als vorteilhaft, die Software zur Hardware selbst zu entwickeln. Doch ohne eine Kundschaft, die Neuerungen dankbar aufnimmt, hätte Apple sein Innovationstempo nicht halten können.

"Apples Klientel sind die Kreativen in den Werbeagenturen, die nur auf neue Features warten", sagt Peter O'Neill vom Beratungsunternehmen Meta Group. In der Industrie, den Verwaltungsetagen und Büros hingegen setzten sich Neuerungen viel langsamer durch, weil sie einen Mehrwert erbringen mussten.

Schmaler Kundenstamm, permanente Existenbedrohung

Der schmale Kundenstamm und die permanente Existenbedrohung, die häufig Gerüchte einer bevorstehenen Pleite auslöste, wurde bei Apple zum Taktstock der Innovationen. Um gegen die PCs der übermächtigen Konkurrenten zu bestehen, übernahm die Firma Anfang der Achtzigerjahre das ursprünglich an der Stanford-Universität, also praktisch im Nachbarort, entwickelte Konzept der grafischen Benutzeroberfläche.

Die Apple-Ingenieure entwarfen einen virtuellen Schreibtisch mit Ordnern und Papierkorb und führten, wie beim kurzlebigen Macintosh-Vorgänger "Lisa" erprobt, Menüleisten, Icons sowie überlappende Fenster ein. "Das war von Anfang an ein durchdachtes System mit Bezug zur Realität", sagt Apple-Urgestein Holger Niederländer. "Wenn Sie den Rechner am nächsten Morgen hochfahren, erscheint der virtuelle Schreibtisch so, wie Sie ihn am Abend zuvor verlassen haben."

Von da an ging es Schlag auf Schlag. Der erste Macintosh konnte bereits Texte vorlesen, lange bevor man in der PC-Welt von Multimedia sprach. Der Nachfolger "Mac-II" bot eine Farbdarstellung und ermöglichte es, mehrere Monitore anzuschließen. Andere Firmen nutzten die grafischen Fähigkeiten des Macintosh für ihre eigenen Innovationen.

Microsoft zum Beispiel entwickelte seine Zugpferde "Word" und "Excel" ursprünglich für den Macintosh; erst später folgten Programmversionen für die eigenen Betriebssysteme. Adobe, von einem ehemaligen Apple-Mitarbeiter gegründet, zog mit seinem Postscript-Verfahren in die Druckereien ein. Mit Unterstützung von Apple, das eine Druckvorschau ermöglichte und nebenbei den ersten bezahlbaren Laserdrucker auf den Markt brachte.

Doch nicht jede Erfindung wurde ein Publikumserfolg. Mit dem "Newton" zum Beispiel war Apple im Jahr 1993 seiner Zeit zwar voraus. Doch der Vorgänger aller heutigen Stift-Organizer war ungewohnt und klobig. Vor allem aber war die von Apple bei einem anderen Anbieter eingekaufte Handschriftenerkennung noch nicht ausgereift. Den Ruf, nichts zu verstehen, wurde der Newton auch dann nicht los, als ihn Apple mit der verbesserten, selbstentwickelten Software "Rosetta" ausstattete.

Tempo trotz Rückschlägen

Solche Rückschläge haben das Innovationstempo von Apple nicht gebremst. Mit dem Lifestyle-Computer "iMac" von 1999 mutete das Unternehmen seinen Anhängern radikale Änderungen zu. Dieser Rechner verzichtete auf die bis dahin üblichen Anschlüsse und setzte auf die damals wenig verbreitete USB-Technik.

Ältere Geräte ließen sich nur noch mit speziellen Adaptern anschließen, und auch die Daten auf 3,5-Zoll-Disketten konnte der iMac nicht mehr lesen, weil Apple das erforderliche Laufwerk verbannt hatte - 15 Jahre nachdem die Firma selbst das Format eingeführt hatte. "Wir fanden, dass es nicht mehr zeitgemäß war", sagt Niederländer. "15 Jahre waren genug." Drei Jahre später empfahl auch Intel, den Datenträger auszumustern.

Auch beim Design setzte Apple Trends. Drucker und Scanner in transparenten, bunten Gehäusen gehen ebenfalls auf den iMac zurück. Bei der kreativen Apple-Klientel kam die Extravaganz in Bonbonfarben gut an. Monitor und Rechner steckten in einem gemeinsamen Gehäuse, und der Nachfolger, bestehend aus eine Halbkugel mit aufgestecktem Flachbildschirm, erinnert an eine Nachttischlampe. "Apple setzt Design-Standards", sagt Andy Brown vom Beratungsunternehmen IDC.

Das trifft auch auf die Oberfläche des neuen Betriebssystems MacOS X zu. Anstelle der sonst üblichen kleinen grauen Kästchen zum Vergrößern und Schließen einzelner Fenster leuchten bunte Smarties in den Ampelfarben. Programme lassen sich im "Dock" verankern und daraus aufrufen. Dabei handelt es sich um eine Menüleiste, vergleichbar der Taskleiste von Windows, aber viel einfacher zu bedienen.

Apple hat diese Funktion jedoch nicht beim großen Konkurrenten abgekupfert; sie stammt von Nextstep, dem 1989 von Steve Jobs entwickelten Vorläufer von MacOS X. Was aber am aktuellen System vor allem gelobt wird, sind seine Stabilität und Effizienz etwa bei der Verwaltung des Speichers für mehrere geöffnete Programme.

Erst vor kurzem hat Apple die womöglich größte Veränderung auf dem Computermarkt angestoßen. Sie betrifft die Nutzung digitaler Musik. Dafür bietet die Firma zum einen den MP3-Spieler "iPod" an, der etwa so groß ist wie ein Handy und Musikdateien auf Festplatten zwischen vier und vierzig Gigabyte speichert.

Zum anderen hat Apple den "iTunes Music Store" ins Netz gestellt. Mit einer einfachen Bedienung und Preisstruktur hat der Computerhersteller der in diesem Bereich zaudernden und erfolglosen Musikbranche gezeigt, wie man über das Internet Musik verkauft. Eine Windows-Version der nötigen Software "iTunes" sowie wichtige Kooperationsverträge mit AOL und Hewlett-Packard könnten Apple die Tür zu einem Massenmarkt öffnen.

Zu einem solchen Befreiungsschlag wird der kalifornischen Firma womöglich in einigen Jahren auch ihr Betriebssystem verhelfen. Denn Apple entwickelt Teile seines aktuellen Betriebssystems Mac OS X gemeinsam mit Programmierern aus der Linux-Bewegung weiter. Schließlich basieren beide auf dem Unix-System.

"Ein Schritt in die richtige Richtung", findet Georg Greve, der Präsident der Free Software Foundation Europe. Schon sprießen die Spekulationen, ob es nicht bald ein Apple-Betriebssystem gibt, das Windows auf dafür gebauten Computern Konkurrenz macht.

© SZ vom 23.1.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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