Amtsdeutsch:Bürokratisch für Anfänger

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Formulierungen von Beamten sind oft komplett unverständlich. Was heißt "Eignungsfeststellungsverfahren"? Der Linguist Helmut Ebert hat Erbarmen - er übersetzt Verwaltungssprache in verständliches Deutsch.

Titus Arnu

Kostenzusageübernahmeerklärung. Bereitstellungsantrag. Rechtsbehelfsbelehrung. Viele Menschen haben Angst vor solchen Wortmonstern. Zu Recht, findet Helmut Ebert. Der Professor für Linguistik kämpft seit Jahren gegen unverständliches Behördendeutsch. In seinem "Handbuch Bürgerkommunikation" nennt er die wichtigsten Übersetzungen aus dem Bürokratischen ins Deutsche. Bei seiner Arbeit als Kommunikationsberater hilft er Behörden, verständliche Formulierungen zu finden.

Im Labyrinth der Schwurbelsprache hilft ab jetzt ein neuer Ratgeber (Foto: Foto: dpa)

Und das ist bitter nötig. Hartz IV-Anträge, Steuererklärungen, Merkblätter von Ämtern oder Versicherungspolicen sind so krude formuliert, dass selbst Fachleute nicht mehr durchblicken. Manche Mitteilungen klingen dröge, andere rätselhaft, manche spielen ins Dadaistische hinein. So heißt es im Bundessteuerblatt: "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen."

In einem Merkblatt der Bundespost steht geschrieben: "Der Wertsack ist ein Beutel, der auf Grund seiner besonderen Verwendung nicht Wertbeutel, sondern Wertsack genannt wird, weil sein Inhalt aus mehreren Wertbeuteln besteht, die in den Wertsack nicht verbeutelt, sondern versackt werden."

Bürger als Bittsteller

Wer denkt sich so ein Zeug aus? Es erfordert eigentlich wesentlich mehr Arbeit, einen Sachverhalt extrem kompliziert auszudrücken, anstatt einfach zu sagen, was Sache ist. Kommunikationsforscher Helmut Ebert fragt sich, warum das Bedürfnis der Beamten nach Präzision oft ins Gegenteil verkehrt wird. Viele Verwaltungsangestellte und Politiker, so Eberts Interpretation, haben ein falsches Verständnis von Kommunikation. Der Bürger ist Bittsteller, nicht Kunde.

Manche Floskeln lassen auf ein Bild vom Bürger als Untertan schließen, wie es zu preußischen Zeiten üblich war. Zum Beispiel der Satz: "Sie werden zu gegebener Zeit informiert." Durch die Ausdrucksweise bleibt der Verfasser anonym. Außerdem erfährt der Bürger nicht, wann er Bescheid bekommt. "Bürgerfreundlicher wäre: Ich informiere Sie bis Ende des Monats", schlägt Ebert vor.

Versuche, die Verwaltungssprache zu modernisieren, gibt es immer wieder. Politiker in Schleswig-Holstein forderten eine "Verständlichkeitsprüfung" für Gesetze und Verordnungen, die derzeit "kein normaler Mensch" verstehe. Alle Bürger müssten die Chance bekommen, die Regeln der Gesellschaft zu kapieren. 2005 kündigte EU-Kommissar Günter Verheugen an, er wolle eine Vielzahl von bürokratischen Vorschriften beseitigen, die Folge war noch mehr Bürokratie.

Sprache ist Machtinstrument

Trotz (vielleicht auch wegen) solcher politischen Initiativen zum Bürokratieabbau scheint sich sprachlich wenig zu bessern. Mehr als 70000 Menschen, die beim Ausfüllen eines HartzIV-Antrags zu Recht Verständnisprobleme hatten, beschwerten sich schriftlich über die verquasten Formulierungen auf den Formularen.

Sachbearbeiter benutzen Sprache oft als Schutzwall - sie verschanzen sich hinter "abstraktem, geschraubten, verklausuliertem, dunklem Deutsch", wie Linguist Ebert urteilt. Das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Speyer stellte bei einer Untersuchung über das Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) in Düsseldorf fest: Die Sprache ist ein Machtinstrument. Der Forschungsreferent Burkhard Margies hat die LBV-Mitarbeiter befragt und beobachtet: "Manch einer fürchtet, der Respekt geht verloren, wenn er sich verständlich ausdrückt."

Ein Satz, der abstrakt klingt und mit Fachwörtern gespickt ist, soll den Eindruck vermitteln, dass es sich um etwas besonders Wichtiges handelt. Wer dann den Brief des Finanzamts nicht versteht, bezahlt lieber einen teuren Steuerberater, als beim Amt anzurufen und den Sachbearbeiter zu bitten, er möge ihm doch bitte mal in einfachen Worten erklären, was es mit der "Aussetzung der Vollziehung" oder der "Verböserung" auf sich hat.

Mehr Respekt vor dem Bürger

Mit dem "Handbuch Bürgerkommunikation" versucht Ebert, eine Brücke zwischen der Bürokratie und dem Bürger zu bauen. Den Anstoß zu dem Handbuch gaben Mitarbeiter der Stadtverwaltung Arnsberg. Die Beamten benutzten einen Leitfaden vom Bundesverwaltungsamt, der das Verfassen von Briefen und Formularen eigentlich erleichtern sollte, die Arbeit aber erheblich erschwerte. Zusammen mit den Betroffenen erarbeitete Helmut Ebert einfache Grundregeln für besseres Verwaltungsdeutsch: Kurze Sätze, Fach- und Fremdwörter vermeiden, keine unnötigen Abkürzungen verwenden.

Mit der verständlichen Übermittlung von Daten und Fakten ist es nicht getan. "Mehr Respekt vor dem Bürger ist ganz wichtig", fordert Ebert. Mittlerweile berät er mehrere Verwaltungen und hofft, dass er dort einen Lernprozess auslöst. Dabei versucht er nicht nur, die Sprache zu vereinfachen - die Beamten sollen sich auch ihrer Außenwirkung bewusst werden. Eine gut funktionierende Behörde sehe ihre mündigen Bürger als Partner, findet Ebert.

Das Problem ist nur, dass in der Bürokratie alles so schrecklich langsam geht. Solange in den Beständen der Verwaltungen Unmengen von Formular-Vorlagen existieren, werden diese immer weiter kopiert. Falls sich die Verböserung gegen den gesunden Menschenverstand durchsetzt, werden Sachbearbeiter deshalb vermutlich noch im Jahr 2100 etwas von "Kostenzusageübernahmeerklärungen" schwafeln.

© SZ vom 19.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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