Alles so wie früher?:Und plötzlich machte Herr Wickert Winkewinke

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Besser als Kerner, schlechter als Stern TV - das ist die Quote der ersten Harald Schmidt Show in der ARD. Man muss wohl von einem Arbeitssieg sprechen. Meint Christopher Keil

Man merkte es früh. Oh, oh. Das ist aber gar nicht lustig. Herr Wickert von den Tagesthemen plauderte mit Harald Schmidt. Etwa so: Herr Schmidt, was dürfen wir denn erwarten? Und Herr Schmidt antwortete. Etwa so: Wir werden uns da nicht auf so ein niedriges Niveau legen wie ihr von den Tagesthemen. Und plötzlich machte Herr Wickert Winkewinke. Und Schmidt lächelte, aber man hatte den Eindruck, dass sein Lächeln mit dem Bart abrasiert worden ist.

Singuläre Haltung und Technik: Harald Schmidt (Foto: Foto: ddp)

Obwohl man wusste, dass die kurze Episode mit Wickert Stunden vorher aufgezeichnet worden war, hoffte man doch, Schmidt sähe irgendwie anders aus beim Dienstantritt im Ersten. Jedenfalls nicht so, als ob seine Weltreise nie stattgefunden hätte.

Maßlosigkeit

Man kann Schmidts Situation vielleicht mit der eines Fußballers vergleichen. Eines wunderbaren Fußballers. Der kickte sich jahrelang in einem mittelmäßigen Klub nach oben. Er wird Nationalspieler, verdient bald Millionen und noch mehr Millionen durch Werbung. Dann beschließt er, den Verein zu wechseln.

Der neue Verein ist elitär, das Publikum gesetzt, die Erwartungen maßlos. Maßlosigkeit ist eine von Schmidts Begabungen. Doch im ersten Spiel war davon wenig zu erkennen. Man müsste von einem Arbeitssieg sprechen, in dem Schmidt den Ball ziemlich flach gehalten hat.

Andererseits macht Schmidt alles, was er macht, in einem anderen Tempo, mit einer singulären Haltung und Technik. Den entscheidenden Treffer setzt er natürlich, in der Schlussminute. Besser geht's dann wirklich nicht. Da sieht man ihn eine schwarze Luxuslimousine auffällig langsam durch die Bahnhofsmeile von Köln-Mühlheim steuern. Er hält, und ein jugendlich gekleideter Mann steigt zu. Wuff.

Sanfte Sozialisierung

Es wird vielleicht eine Weile dauern, bis Harald Schmidt seinen Platz im neuen Koordinatensystem gefunden hat. Früher war Sat 1, und dort hatte er in mehr als acht Jahren eine rücksichtslose Sicherheit im Umgang mit dem Arbeitgeber und den Konkurrenten des Arbeitgebers entwickelt. Jetzt hat er sich erst einmal für die sanfte Sozialisierung entschieden.

Eine Grafik, die der Kollege Reinhold Beckmann gerade verbreiten ließ, stellt Beckmanns ARD-Talkshow-Erfolg im vergangenen Jahr gegenüber Johannes B. Kerner und Sandra Maischberger heraus. Schmidt setzte einen um das doppelte höheren Wert dazu und bemerkte, das sei die Durchschnittsquote seiner Sendungen 2004 gewesen.

Der Rest ist die bekannte Mischung aus politischem Kabarett und Comedy gewesen mit den Themen Airbus, Tyrannei des Bösen und Condoleezza Rice, Meteorit und Eisberg, unterbrochen von einem Film, der sich auf zynische Weise mit dem Besuch des US-Präsidenten in Deutschland beschäftigte.

Frühe Karnevalssitzung

Zwischendurch ging es mal um Dioxin im Ei, was zu einer frühen Karnevalssitzung in der ARD führte, bei der Schmidt sich einen Vogelkäfig über den Schädel stülpte und sein Partner Manuel Andrack als Henne verkleidet durchs Studio hüpfte.

Am Ende wurde klar, dass sich das Programm der Harald Schmidt Show nach Bedarf ändern wird. "Wie sie wissen", informierte Schmidt, "haben wir keine Gäste mehr. Unser Gast morgen ist Adam Green", der Musiker Adam Green, der aber nur singen und nicht reden werde.

Reden werden sie auch noch. Nathalie kommt ja auch zurück, und vielleicht schiebt die ARD noch eine kleine Werbung in die halbe Stunde Harald Schmidt, dann ist bald alles so wie früher.

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