Alkoholverbot:Flaschen verboten

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Kein Alkohol auf offener Straße: Die Kommunen wollen jugendliche Trinker disziplinieren. Dennoch soll die Reeperbahn keine Klosterschule werden.

Nadeschda Scharfenberg

In Freiburg, der gemütlichen Studentenstadt im sonnigen Süden, gibt es einen berüchtigten Bezirk. Mitten in der Altstadt, zwischen Martinstor und der Universität, erstreckt sich das sogenannte Bermudadreieck. Vermutlich heißt es so, weil hier literweise Alkohol spurlos in dunklen Kehlen verschwindet. In diesem Vergnügungsviertel säumen Clubs, Kneipen und Diskotheken die kopfsteingepflasterten Gassen. Anfang Januar allerdings hat der Gemeinderat das Bermudadreieck trockengelegt, zumindest teilweise. Freitags und am Wochenende ist es zwischen 22 und sechs Uhr verboten, auf offener Straße Alkohol zu trinken. Ende Juli soll überprüft werden, was das Saufverbot gebracht hat. Dann wird es möglicherweise verlängert.

Auf offener Straße soll der Alkoholkonsum untersagt werden. (Foto: Foto: dpa)

Freiburg ist nicht die einzige Stadt, die den Trinkern auf Straßen und Plätzen den Kampf ansagt. Die Diskussionen der vergangenen Jahre über alkoholisierte Schläger und über Jugendliche, die sich bis zur Besinnungslosigkeit oder wie im Fall eines 16-Jährigen in Berlin gar zu Tode besaufen, haben viele Kommunen handeln lassen. Im Marburger Zentrum zum Beispiel darf seit Dezember nachts nicht mehr gebechert werden, in Magdeburg tritt eine ähnliche Regelung zum 1. Februar in Kraft. Mehrere Berliner Bezirke überlegen, ein Alkoholverbot auf Spielplätzen einzuführen, und in Krefeld fordert die CDU, die Trunksucht aus der Innenstadt zu verbannen. Fraktionssprecher Klaus Wiewrodt beklagt "permanente Rechtsbrüche wie wildes Urinieren, Sachbeschädigungen und Bedrohungen".

Sogar die Hamburger Reeperbahn, Deutschlands bekannteste Vergnügungsmeile, hat sich der Nüchternheit verschrieben. Auch dort läuft seit Jahresanfang ein Projekt, das den Alkoholkonsum und die damit verbundenen Ärgernisse zumindest eindämmen soll: Die 15 Kioske, eine Tankstelle und der Getränkemarkt sollen keine gefährlichen Glasflaschen mehr verkaufen und nach 23 Uhr keinen Alkohol an Angetrunkene. Zunächst geschieht das freiwillig, aber falls es nicht funktioniert, soll es von Mai an eine Polizeiverordnung geben, die das öffentliche Trinken unter Androhung von Bußgeld untersagt. Erkenntnisse gibt es noch keine, "aber wir sind optimistisch", sagt Reinhard Fallak, Sprecher der Innenbehörde. Er berichtet von einem relativ neuen Phänomen: Seit einem Jahr, seit U- und S-Bahn die ganze Nacht fahren, kommen immer mehr Leute auf die Reeperbahn, die gar nicht in die Clubs gehen, sondern "draußen stehen und sich volllaufen lassen". Man hofft, diese Klientel durch den eingeschränkten Alkoholverkauf vertreiben zu können - ohne dabei allerdings das Flair zu zerstören. "Die Reeperbahn soll keine Klosterschule werden", sagt Fallak. Ein Spagat.

Gegen das Warmtrinken

Den Städten, die Trinkverbote erlassen wollen, geht es vor allem um die Sicherheit. In Freiburg zum Beispiel wurden im ersten Halbjahr 2007 allein in der Altstadt 350 Gewalttaten registriert - und bei fast der Hälfte war Alkohol im Spiel. Zwar ist die Polizei auch vorher schon an den Wochenenden verstärkt durch die Stadt patrouilliert, konnte aber nur handeln, wenn es zu Übergriffen oder Pöbeleien kam.

"Jetzt haben wir auch die Handhabe, gegen das Warmtrinken vorzugehen", sagt Polizeisprecher Karl-Heinz Schmid. "Freiburg soll schließlich lebenslustig bleiben und nicht Beklommenheit auslösen." Auch Konrad Freiberg, Chef der Gewerkschaft der Polizei, beurteilt den Trend zum Alkoholverbot positiv: "Es ist ein Ansatz, um Kriminalität einzudämmen und Menschen zu schützen." Der Städte- und Gemeindebund hält die Verbote ebenfalls für sinnvoll - aber lange nicht für ausreichend. "Man darf nicht glauben, dass damit allein die Problematik jugendlichen Alkoholkonsums und jugendlicher Verwahrlosung zu lösen ist", sagt Sprecher Franz-Reinhard Habbel.

Es geht um die Gesundheit der Jugendlichen

Alle Beteiligten betonen, dass es mit dem Alkoholverbot allein nicht getan ist, sondern dass es mehr braucht: bessere Aufsicht in Gaststätten und an Supermarktkassen, mehr Anlaufstellen für Jugendliche, Prävention in Schulen und Vereinen. "Mit einem Alkoholverbot kommt man nicht an die Ursachen heran", kritisierte jüngst der Geschäftsführer der Hessischen Landesstelle für Suchtfragen, Wolfgang Schmidt. Der Kasseler Kinderpsychiater Günter Paul sieht das anders: "Gruppendruck ist ein entscheidender Faktor, der junge Menschen zum Alkohol treibt. Wenn man mit den Verboten den Druck ein bisschen mindern kann, sollte man es machen."

Suchtmedizinern und Drogenbeauftragten geht es natürlich um weit mehr als nur um die Sicherheit in den Städten: um die Gesundheit der Jugendlichen. Und da sieht es nicht besonders gut aus, die Heranwachsenden greifen nach einem zwischenzeitlichen Rückgang wieder häufiger zur Flasche. Am Dienstag gab es neue, erschreckende Zahlen: Laut Statistischem Bundesamt hat sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die wegen Alkoholmissbrauchs ins Krankenhaus gebracht wurden, seit 2000 mehr als verdoppelt. 2006 wurde bei 19500 Klinikpatienten zwischen zehn und 20 Jahren die Diagnose gestellt: akute Alkoholvergiftung.

© SZ vom 30.1.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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