Eifersucht:"Männer haben ein gespaltenes Bewusstsein"

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Deutschlands Männer sind krank. Eifersucht heißt die Volksplage, die einer Umfrage zufolge drei von vier Männern sogar körperlich zu schaffen macht. Michael Cöllen hat selbst "Stadien heftiger Eifersucht durchlebt." Im sueddeutsche.de-Interview erklärt der Paartherapeut, was Männer alles falsch machen - und warum das Herzrasen manchmal gut ist.

Interview: Felix Serrao

sueddeutsche.de: Warum sind Männer eifersüchtiger?

Placido Domingo als eifersüchtiger Othello. (Foto: N/A)

Cöllen: Das liegt daran, dass Männer häufig ein gespaltenes Bewusstsein von Beziehung haben: Einerseits wollen sie besitzen, andererseits räumen sie den Frauen dieses Recht nicht ein: Sie selbst gehen fremd, aber wehe, wenn die Frau das tut... dann kommt es zum Psycho-Drama.

sueddeutsche.de: Woher kommt diese Spaltung?

Cöllen: Männer bekommen in einer Beziehung Gefühle geliefert, ohne selbst in der Lage zu sein, diese anzubieten. Sie lassen sich von den Frauen tragen und gehen selbst sachlichen Dingen nach. Ihre Liebe zeigen sie dann in der Handlung, etwa im Geldverdienen oder in der Sexualität - aber abgespalten von den sonstigen zärtlichen Gefühlen.

sueddeutsche.de: Wann ist Eifersucht normal, wann übertrieben?

Cöllen: Das genaue Ausmaß zwischen Null und 100 - also von überhaupt nicht eifersüchtig bis extrem oder krankhaft eifersüchtig - das einzuteilen ist schwer. Es wird sicherlich dann zuviel, wenn es den Genuss an der Beziehung stört, wenn es die Bewegungsfreiheit der Partnerin enorm einengt. Auf Dauer wirkt Eifersucht - und da passt die Redewendung 'Wer mit Eifer sucht, was Leiden schafft' - zerstörerisch.

sueddeutsche.de: Was kann Mann dagegen tun?

Cöllen: Das hängt davon ab, wie die Persönlichkeit aussieht: Wer übetrieben eifersüchtig ist, hat selbst ein Problem, nämlich das von Minderwertigkeitsgefühlen, Selbstzweifeln, Unsicherheit.

sueddeutsche.de: Also muss er bei sich selbst anfangen?

Cöllen: Richtig. Er muss zuerst an sich, an seinem Selbstwertgefühl arbeiten, an seinem Urvertrauen, das sicher in der Kindheit gestört wurde. Er muss im täglichen Umgang mit Anderen das Gefühl aufbauen: 'Ich bin etwas wert.' Der Eifersüchtige hat ja immer Angst — Angst gegen einen Besseren, Attraktiveren, Erfolgreicheren ausgetauscht zu werden.

sueddeutsche.de: Ist Eifersucht wirklich immer das Resultat einer verkorksten Kindheit? Oder kann sie auch gesund und angebracht sein?

Cöllen: Das kann sie sehr wohl. Wir haben deutliche Hinweise darauf bekommen in der 68-er Zeit. Da wurde Eifersucht politisch verachtet und in der Ideologie als falsch dargestellt. Daran sind viele Seelen kaputt gegangen, viele Beziehungen gescheitert — auch in der Generation der Kinder. Die Seele eines Menschen kann sich erst voll entfalten im geschützten Raum. Wenn der gefährdet wird, durch das Eindringen anderer Bezugspersonen, dann ist mit Recht Eifersucht angesagt.

sueddeutsche.de: Zum Beispiel?

Cöllen: Wenn ein Mann eine attraktive Frau hat, die sich auf einer Party allen zuwendet, nur nicht ihm — dann, finde ich, ist es rechtens, eifersüchtig zu sein.

Manche Frau braucht es ja richtig, die Aufmerksamkeit anderer Männer zu erregen. Wie ein Lebenselixier. Die spielt das aus, geht bewusst über die Grenze; sie tut es manchmal aber auch, um die Aufmerksamkeit des eigenen Mannes zurück zu gewinnen. Es gibt selten schwarz und weiß, schuldig und unschuldig. Beide, Mann und Frau, sind am Gefecht beteiligt.

sueddeutsche.de: Und wann sind sie fällig für eine Paartherapie?

Cöllen: Ich glaube jedes Paar, auch reife Beziehungen, durchlaufen Stadien der Eifersucht. Mal von der einen, mal von der anderen Seite. Wer sich seines Partners zu sicher ist, langweilt sich bald.

Normal ist, dass Stadien der Eifersucht bewältigt werden, der eine dem anderen das zugestehen kann. Schlimm wird es, wenn es zu Heimlichkeiten kommt. Wenn der eine den anderen aushorcht, heimlich E-Mails liest. Wenn der Zweifel, dieses nagende, bohrende Grübeln über die Treue des Anderen, nicht verschwindet.

sueddeutsche.de: Sind sie selbst auch eifersüchtig, Herr Cöllen?

Cöllen: Ich habe auch Stadien heftiger Eifersucht durchlebt, ja. Inzwischen, mit meinen 60 Jahren, bin ich es nicht mehr.

sueddeutsche.de: Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank für das Gespräch.

Michael Cöllen, Diplom-Psychologe und Lehrer für Paartherapie lebt und arbeitet in Hamburg. Im August ist sein sechstes Buch erschienen: "Lieben, Streiten und Versöhnen".

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