Zehnte Liga:Der Brüller und der Sänger

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Beim Kreisklassen-Duell des Tabellenvorletzten VfR Garching II gegen den Tabellenzweiten ESV Freimann treffen zwei gegensätzliche Torhüter aufeinander.

S. Gierke und M. Neudecker

Die SZ begleitet eine Saison lang die Kreisklasse Gruppe 2. Diesmal im Mittelpunkt: Die Torhüter Thomas Lenker, 22, von GarchingII, der früher Mittelfeldspieler war, und Heiko Dombrowski, 30, vom ESV Freimann, ein Schalke-Fan aus Gelsenkirchen.

Lautstark: Thomas Lenker vom VfR Garching II. (Foto: Foto: Pahnke)

30 Sekunden: Die erste Parade von Garchings Thomas Lenker: Er springt, ein leichter Schuss. Er wird noch oft springen an diesem Sonntagnachmittag.

5. Minute: Eine typische Thomas-Lenker-Szene: Die Vier gewinnt irgendwo im Mittelfeld einen Zweikampf, Lenker steht vor seinem Tor, er rudert mit den Armen, ruft: "Uuund Tempo, geh ab!"

7.: Heiko Dombrowski steht vor dem Sechzehnmeterraum. Die Arme in die Seite gestützt. Imposant. Schwarzes Trikot, schwarze Hose, rote Handschuhe. Er wirkt, als halte er den heftigsten Stürmen stand.

14.: Keine Stürme in Sicht. Heiko Dombrowski: steht vor dem Sechzehnmeterraum, imposant.

28.: "Ruhig, komm, Bernd, Hintermann!", "geh, spiel, Matze, ja, jeder sein' Mann!", "jawoll, rüber, absichern!" - Lenker redet ununterbrochen.

30.: Dombrowski in Aktion. Das erste Mal. Garching flankt, alle Freimanner schreien, Dombrowski nicht. Er stürzt aus dem Tor, bekommt den Ball gerade noch. Sein Libero brüllt: "Heiko, schrei doch, dass du rauskommst!" - "Aber alle anderen schreien doch!"

32.: Ein Kopfball von Freimann, kein Problem für Thomas Lenker, er wirft den Ball sofort ab, kraftvoll. Aber die Acht bringt den Ball nicht unter Kontrolle. Thomas Lenker dreht sich um, er schimpft, nicht zitierbare Worte fallen. Dann sofort: "Auf geht's Jungs, rüber, nach rechts!" Ein Dirigent in schwarzgrauem Trikot und weißen Torwarthandschuhen.

35.: Das 1:0. Freimanns Zehn läuft allein auf Thomas Lenker zu, der macht sich groß, springt der Zehn entschlossen entgegen - vergeblich. Auf der anderen Seite hat Heiko Dombrowskis Stimme zum ersten Mal Volumen. Er verfällt in eine Art Singsang. Er singt den Namen des Torschützen. "Suuuper, weiheiheiter Juuungs."

37.: Garching flankt, der Ball kommt gut, Dombrowski muss plötzlich voll da sein. Von Null auf Olli Kahn. Dombrowski stürzt heraus. Fuchtelt wild mit den Armen. Der Ball streift die Schulter, ein Garchinger drückt ihn über die Linie, 1:1. Dombrowski am Boden, ein Faustschlag in den Rasen. Gegenüber atmet Thomas Lenker tief durch, er sagt: nichts. Für immerhin zehn Sekunden.

40.: Der nächste Alleingang Freimanns, wieder kommt Thomas Lenker raus, groß, entschlossen, und diesmal wehrt er ab. Er hat früher mal in Weilheim "in der Bezirksliga gefangen", wie er fußballsprachgerecht sagt, dann ist er nach Garching zum Studieren, Maschinenbau, da wollte er lieber ins Feld. Im Tor steht man manchmal rum, "und ich will mich nicht langweilen". Aber dann haben sie ihn zur Winterpause wieder ins Tor gestellt, "im Tor ist er herausragend", sagt Trainer Stefan Schmiedel, "als Feldspieler nur Mitläufer".

42.: Dombrowski gibt kaum zu hörende Anweisungen: "Domi, links." - "Kili, rechts." - "Yani, passt." Er wirkt absolut ruhig. Manchmal wie ein Baum: groß, stark, stumm. "Ich hab mich eben im Griff", sagt er später, "früher war ich anders, mit Ausrastern und Schiedsrichterbeleidigungen." Kaum zu glauben.

Halbzeit: Zeit zum Aufwärmen jetzt. Der Wind pfeift.

47.: 2:1. Thomas Lenker beschreibt das Tor später so: "Wir haben Einwurf, stehen gut, der Ball springt auf, und der Achter zirkelt das Ding rein. Da haben wir gepennt." Er selbst war, sagen wir: schuldlos. Heiko Dombrowski singt den Namen des Torschützen.

52.: Garching hat heute einen aus der Ersten (Bezirksliga) dabei: die Zehn, ein guter Mann. Die Zehn versucht an der Mittellinie einen auszudribbeln, das misslingt. Thomas Lenker ruft: "Kopf hoch, zeig', was du kannst!" Die Weite des Platzes: Thomas Lenker schreit sie klein. Die Garchinger mögen ihren Torwart, schmunzelnd sagen sie, er sei aber auch ein typischer Torwart. Der typische Torwart redet ununterbrochen und hat manchmal, naja, eine Meise.

55.: Heiko Dombrowski steht vor dem Sechzehnmeterraum, ohne Haare. Seine Mitspieler nennen ihn manchmal Yves, ausgesprochen: "Iiif", nach dem Schalker Kultspieler Eigenrauch. Wegen der Frisur.

79.: Und nun: das 3:1. Freimanns Spielertrainer, der sich eingewechselt hat, taucht da ganz alleine vor dem Tor auf, Thomas Lenker ist schon wieder machtlos. Die Vier kniet frustriert am Boden, Thomas Lenker richtet ihn auf, "komm, weiter geht's". Olli Kahn hat das Immer-Weiter-Prinzip erfunden, Thomas Lenker lebt es. Heiko Dombrowski singt den Namen des Torschützen.

81.: Die erste echte Parade von Heiko Dombrowski. Ein Schuss, halbhoch, nicht scharf. Dombrowski lässt den Ball vor sich auf den Boden fallen.

82.: Der zweite Schuss aufs Tor. Wieder halbhoch, wieder nicht so scharf. Dombrowski fängt sicher. Jetzt ist er warmgeschossen.

92.: Thomas Lenker ruft: "Raus, Jungs, raus, vor!" Dann pfeift der Schiedsrichter ab.

Vor der Kabine: Klar, Thomas Lenker ärgert dieses 1:3, "aber wir spielen auch gegen den Abstieg, die um den Aufstieg". Nächste Saison will er in der Ersten Mannschaft spielen, die vielleicht in die Bezirksoberliga aufsteigt. Heiko Dombrowski will mit Freimann auch aufsteigen, in die Kreisliga. Er sagt: "Fußball ist mein Leben."

© SZ vom 24.03.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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