Taekwondo:Meisterlich in allen Prüfungen

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Andreas Sappl kämpft, zerschlägt Bretter und trägt sogar den Schwarzen Gürtel in Taekwondo - als Rollstuhlfahrer.

Benedikt Schellenberger

Andreas Sappl ist mit seinem Motorrad in Wolfratshausen unterwegs. Wenige Stunden später liegt er auf der Intensivstation der Unfallklinik von Murnau und muss langsam lernen, dass sein Leben sich von Grund auf ändern wird. Der damals 24-Jährige hat seinen Bruder im nahe gelegenen Münsing besucht.

Andreas Sappl tourt durchs Voralpenland und beeindruckt in Kämpfen und bei Vorführungen das Publikum. (Foto: privat)

Als er auf der Rückfahrt in die Altstadt einbiegt, übersieht ihn ein Autofahrer und erwischt ihn frontal. Sappl prallt gegen einen Begrenzungspfosten und zieht sich schwere Knochenbrüche zu: Zwei Wirbel werden zertrümmert und einiges mehr. Seitdem kämpft Sappl vom Rollstuhl aus.

Sappl stammt aus einer Sportlerfamilie. Der Vater war lange Jahre als Bogenschütze aktiv, bis er irgendwann Taekwondo für sich entdeckte. Im Jahr 1971 trat Rudolf Sappl mit zwei seiner Söhne in die damals existierende Taekwondo-Schule in Dorfen, Gemeinde Icking, ein. Andreas war noch nicht dabei, weil er als Fünfjähriger für zu jung befunden wurde. Später kam er dazu, und als die Taekwondo-Schule in Dorfen aufgegeben wurde, wechselte der Vater mit seinen Söhnen an eine angesehene Kampfsportschule in München, in der Großmeister Seo Yon Nam die Leitung hatte.

Andreas wurde bayerischer Meister, gelangte in der Gürtelreihenfolge des Taekwondo schnell nach oben. Mit 13 Jahren trug er bereits den Zweiten Dan - einen der insgesamt neun schwarzen Gürtel im Taekwondo; eine beachtliche Leistung für einen jungen Buben in seinem Alter. Später absolvierte er eine Lehre zum Kfz-Mechaniker und blieb seinem Sport über alle Widrigkeiten hinweg treu.

Der Unfall im September 1990 war ein Einschnitt. Was für den in jungen Jahren so sportlichen Mann folgte, war schwer zu ertragen. Drei Jahre verbrachte er in verschiedenen Krankenhäusern und bis heute ist er querschnittsgelähmt. Es waren Jahre der Entbehrungen und der Beschwerden. Sappl wollte aber weiterhin am Leben, an seiner geliebten Sportart teilnehmen.

Trotz der Querschnittslähmung und obwohl er sein Leben lang an den Rollstuhl gefesselt sein wird, machte er weiter: "Ich habe eine Familie die mich zu einhundert Prozent unterstützt. Mein Verein ist meine zweite Familie und hat mich immer mitgetragen. Das ist mehr als Freundschaft. Für mich ist das Brüderlichkeit." Taekwondo sei zwar eine Einzelsportart, sagt Sappl, aber man kümmere sich um den Anderen und unterstütze die vermeintlich Schwächeren.

Ein Umstand, der Sappl bei seiner Leidenschaft hielt. Er sagt aber auch: "Dazu kommt, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der man sich einfach verteidigen können muss." Sappl hatte seinen Schlüsselmoment erlebt, der ihn darin bestärkte, weiter zu trainieren. Er war von einem Unbekannten angegriffen worden. Geistesgegenwärtig schlug er den Angreifer damals in die Flucht. Dieser Moment, in dem er handeln musste, verdeutlichte ihm, wie wichtig Selbstverteidigung für ihn war und auch heute noch ist. "Ich wusste damals, dass ich mit aller Konsequenz rangehen muss."

Die Familie Sappl hat nach ihrem Ausflug nach München den Taekwondo-Sport in Wolfratshausen heimisch gemacht. Vom Herbst 1977 an trainierte Rudolf Sappl senior zu Hause mit Freunden, schließlich wuchs die Zahl der Sportler und schließlich musste ein geeigneter Trainingsraum gefunden werden. Im Sommer 1978 wurde die Taekwondo-Schule Sappl in einem Rückgebäude am Obermarkt in Wolfratshausen gegründet.

Vielleicht gilt das für Andreas Sappl mit seiner Lebensgeschichte im Besonderen. Für ihn ist Taekwondo mehr als Körpertraining. Ihm sei wichtig, seine Fähigkeiten ebenso zu kennen wie seine Grenzen, sagt er. "Jeder vermiedene Kampf ist ein gewonnener Kampf." Als Taekwondoin, die koreanische Bezeichnung für einen Taekwondokämpfer, wolle er diese Einstellung an andere Menschen in ähnlichen Lebenssituationen weitergeben. Sappl bietet Kurse an, um Menschen zu Selbstvertrauen zu verhelfen.

So tourt er durch das Voralpenland. In Erding unterstützte die Taekwondoschule Sappl die Veranstaltung "Tage der Toleranz" mit einer Vorführung. Wo Sappl seine Kampfkunst zeigt, reagieren die Menschen beeindruckt darauf, wie er vom Rollstuhl aus Bretter zertrümmert. Die Anerkennung erreichte einen Höhepunkt, als Sappl für seinen Lebenserfolg geehrt wurde. Anfang 2011 trafen sich im Theater Leo 17 in München Taekwondoini aus der ganzen Bundesrepublik. Großmeister Ko Eui-Min lud Sappl als besonderen Gast zu der Veranstaltung ein. Der Koreaner, so erinnert sich Sappl heute, war damals schlicht begeistert.

© SZ vom 30.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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