Letzter Tag des Supermarkts:Fast wie ein Tante-Emma-Laden

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Das Ende einer Institution: Wolfratshauser bedauern die Schließung der Tengelmann-Filiale am Untermarkt. In drei Jahren hätte der Supermarkt sein 50-jähriges Bestehen feiern können.

Von Johann Fährmann

Schon seit einigen Wochen war es nicht zu übersehen, dass die Tage der Tengelmann-Filiale im Untermarkt gezählt waren. Äpfel und Nektarinen türmten sich zwar noch bis vor wenigen Tagen wie gewohnt in der Obst- und Gemüseabteilung am Eingang. In den Regalen aber war das Angebot schon längst erkennbar ausgedünnt. Hinter der ersten Reihe Marmeladengläser beispielsweise herrschte die große Leere. Am Samstagnachmittag war es dann auch mit dem schönen Schein an der Gemüsetheke vorbei. Kirschrispentomaten aus den Niederlanden gab es immerhin noch, die 150-Gramm-Schale für einen Euro. Wer wollte, bekam auch noch ein paar Kekse. Der größte Teil der Ware indes stand packfertig in Kartons zum Abtransport bereit. Dann wurde das Licht gelöscht - um 16 Uhr schloss der Untermarkt-Tengelmann seine Türen.

"Was an Waren noch da ist, wird auf die anderen Läden in Wolfratshausen aufgeteilt", hatte eine Mitarbeiterin sechs Stunden vor dem letzten Ladenschluss noch erzählt. Die Filialleitung selbst mag den Abschied mit keinem Wort kommentieren. "Nichts, gar nichts. Keine Fotos, kein Kommentar", gibt sich der Mann mit der Tengelmann-Krawatte zugeknöpft. Einzig ein Plakat im Schaufenster dankt den verehrten Kunden offiziell für die jahrelange Treue. Am Ende waren es wohl zu wenige Kunden, denen man solche Anhänglichkeit attestieren konnte.

Monika Baumann hat hier jeden Samstag ihre Lieblingszeitschrift gekauft, am letzten Tag ist das Heft schon um 10 Uhr nicht mehr zu haben. Seit acht Jahren lebt Baumann mit Wolfgang Klofat in Wolfratshausen, so lange sind sie auch samstags immer gemeinsam zum "kleinen" Tengelmann gegangen. Freitags fahren sie zum Großeinkauf in die Sauerlacher Straße, am Samstagvormittag aber geht es zu Fuß und mit dem Rad von der Wohnung in Weidach in die Marktstraße. "Was einem halt noch einfällt, und die frischen Sachen" kauften die beiden dann dort, sagt Baumann.

Klofat wird der Laden auf seiner "Samstagseinkaufstour" fehlen. "Der Tengelmann war zwar ein Ketten-Laden, aber doch ein letzter familiärer Link zum ausgestorbenen Tante-Emma-Laden", findet der 76-Jährige. "Die anderen Läden sind zu groß, zu unpersönlich und einfach zu weit weg. Und das Personal hier war auffallend reizend", lobt Baumann. Die Mitarbeiter leiden zumindest nicht allzu sehr unter der Geschäftsaufgabe. "Es wurde niemand gefeuert, alle Angestellten haben Stellen in anderen Filialen bekommen", berichtet die Verkäuferin, die gerade die letzten Konserven über den Scanner zieht.

In drei Jahren hätte die Belegschaft ein rundes Jubiläum feiern können: 50 Jahre hätte der Laden in der Marktstraße dann bestanden. Dass es dazu nicht kommen würde, stand bereits seit Oktober fest. Eigentlich wollte die Warenhandelsgesellschaft Tengelmann ihre kleine Filiale im Untermarkt schon zum 31. Dezember schließen. In der Zeit seines Bestehens sei der Laden nie renoviert worden, sagte Filialen-Geschäftsführer Michael Ortner damals. Die Kosten für die Renovierung seien zu hoch gewesen. Seit im Dezember 2012 das Isarkaufhaus aufgegeben hatte, seien die Kunden ausgeblieben, erläuterte Ortner weiter und fällte ein hartes Urteil über den Untermarkt: "Die Straße ist tot."

Kurz darauf verschob das Unternehmen das Datum der Schließung um ein halbes Jahr auf Ende Juni 2014. Die Wolfratshauser CSU hatte 1017 Unterschriften für den Erhalt des Ladens gesammelt. Diese Sympathiebekundung konnte der damalige Bürgermeister Helmut Forster (BVW) dann als Argument einbringen, als er versuchte, den Konzern mit Hinweis auf soziale Verantwortung umzustimmen. Es war ein vergebliches Unterfangen.

Daraufhin hoffte man, dass mehr als 1000 potentielle Kunden zumindest einen neuen Lebensmittelladen in die etwa 395 Quadratmeter locken könnten. Dass auch daraus nichts wird, offenbarten die Eigentümer dem Bürgermeister (BVW) vor knapp zwei Wochen. Inzwischen ist ein Mietvertrag mit einem Textilunternehmen unterzeichnet. "Ich habe es leider zu spät erfahren", sagte Klaus Heilinglechner jetzt. "Vielleicht hätte ich zu Beginn meiner Amtszeit mehr Druck machen müssen". Nun steht in Aussicht, dass am Untermarkt 10 ein besonderer Nahversorger gegründet werden könnte: Bürgerliche Beteiligung, regionale Produkte und sozial betreute Arbeitsplätze sollen die Merkmale eines möglichen neuen Ladens unterhalb des Heimatmuseums sein.

"Die Aktionen waren sinnlose Seifenblasen im Wahlkampf", beurteilt Klofat die Bemühungen der örtlichen Politik vor den Kommunalwahlen im März. "Das hat nichts gebracht, man hat immer nur vage Antworten bekommen." Dass jetzt noch ein Bekleidungsgeschäft kommt, findet Baumann unnötig: "Den Alten, die nicht mehr so rüstig sind, bringt das nichts."

© SZ vom 30.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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