Kochel:Das letzte seiner Art

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Das Kino Kochel ist im weiten Umkreis ein Kleinod: Die Filme werden dort noch mit analoger Technik gezeigt. Das wird nicht mehr lange so bleiben können.

Von Suse Bucher-Pinell

In den wenigsten Kinos werden noch Filme in analoger Technik abgespielt. Das Studio in Kochel ist eines der letzten, das Spulen benutzt. Heidi Menzel ist seit 16 Jahren Vorführerin und legt dort einmal wöchentlich Filme ein. (Foto: Hartmut Pöstges)

Heidi Menzel kommt aus dem Kinosaal zurück in den Vorführraum. Der Film läuft: Lautstärke, Bildschärfe, Bildschnitt, alles stimmt. Der Hauptfilm beginnt ohne langatmige Werbung vorher. Das ist nur eine Besonderheit in dem cineastischen Kleinod. Kochel ist zugleich eines der letzten Lichtspielhäuser weit und breit, das die Filme noch mit analoger Technik zeigt. Nicht mehr lange jedoch. Die Verleiher halten schon jetzt immer weniger dieser Kopien bereit, bald wird es gar keine mehr geben und statt traditioneller Filmrollen werden nur noch ordinäre Festplatten verschickt. Nicht greifbare Pixel statt schwerer und kilometerlanger Zelluloidstreifen. Dem Verein "Kino in Kochel" wird nichts anderes übrig bleiben, als in digitale Projektion zu investieren.

Heidi Menzel kennt den Verein von Anfang an. Seit er vor 16 Jahren gegründet wurde, um das damals verwaiste Kino wieder zu beleben, ist sie eine von heute fünf Filmvorführerinnen. Sie verbringt in aller Regel einen Abend pro Woche im Vorführraum hinter dem Kinosaal, einer Mischung aus Büro, Arbeits-, Lagerraum und Teeküche, in dem freilich das wichtigste und dominanteste Stück der 35-Millimeter-Projektor ist: ein Ernemann 15, der erst vor fünf Jahren angeschafft wurde und noch etliche Jahre durchhalten könnte. Es ist ein grauer Kasten mit starken Lampen darin, dem Objektiv vorn und einer Reihe eng aufeinander laufender Rädchen und Rollen, durch die der Film geführt wird.

Das Ganze steht auf einer Art Sockel, an dessen Seiten sich zwei riesige Filmrollen drehen, einem Fahrrad-Rad gar nicht unähnlich. Heidi Menzel hat unzählige Male Filme gespult und eingelegt und hat doch immer noch Lampenfieber. "Ich bin jedes Mal froh, wenn der Film läuft", sagt sie, während sie noch einmal auf die Tonspur schaut, ob die auch ja richtig sitzt und die Besucher an diesem Dienstagabend zu den Schwarz-weiß-Bildern von "Oh Boy" auch Tom Schillings Stimme hören können. Weder Routine noch die Spickzettel am Projektor können verhindern, dass mal was schiefläuft und etwa der Schalter für den Ton nicht umgelegt ist oder das Objektiv nicht geöffnet und die Leinwand erstmal schwarz bleibt. Dass Filme reißen, kommt heutzutage kaum mehr vor. "Das Material ist sehr viel besser geworden", sagt Heidi Menzel und erzählt belustigt, wie ihr einst bei Charlie Chaplins "Der große Diktator" die Kopie gleich dreimal gerissen ist.

Durch ein kleines Fensterchen können die Vorführer in den Saal und auf die Leinwand schauen, Ton können sie über die Anlage für sich laut stellen, damit er trotz des ratternden Projektors zu verstehen ist. Ehe nach Filmende ein Wirrwarr aus Streifen und Zahlen über die Leinwand flimmert und die Zuschauer von einem Pfeifton erschreckt werden könnten, muss sie den Projektor rechtzeitig stoppen. Zurückgespult wird die Kopie erst am anderen Tag, wenn der nächste Vorführer Dienst hat.

Da ist die digitale Projektion um einiges weniger anfällig für Komplikationen. Seit zwei Monaten wird sie im Kino P. in Penzberg angewendet, das wie das Kochler von Claudia Wenzl und ihrem Mann Markus betrieben wird. Sie stellen das Programm für beide Kinos zusammen, besorgen die Filme, wollen sich künftig aber ganz auf Penzberg konzentrieren. Digitale Filme werden auf Festplatten geschickt, die auf den Kino-Server überspielt werden und mit einem vom Verleih mitgelieferten elektronischen Schlüssel gestartet werden können. Analoge Filmkopien dagegen müssen aus mehreren, "Akten" genannten, Einzelteilen zu einem Ganzen zusammengeklebt werden, ehe sie abgespielt werden können.

Vor dem Zurückschicken müssen sie wieder getrennt und zu schweren Kartons verpackt werden. Die Festplatten dagegen können gleich in den Server gesteckt werden und passen in kleine Kunststoffköfferchen. "Ich bin froh, dass ich nicht mehr die 20 oder 30 Kilo schweren Kartons mit Kopien schleppen muss", sagt Claudia Wenzl. Kein Kleben, kein Schnippeln, Technik macht's leichter.

Für die Kinobesucher hat die digitale Vorführung vor allem einen Vorteil: Die Bildqualität ist besser, was durchaus auffällt. Und das spricht sich offenbar schnell herum. Als das Kino P. mit "Django Unchained" digital startete, seien Besucher gekommen, weil er in 4K gezeigt wurde, einer besonders hohen Auflösung, über die nicht jedes Kino verfüge. Für die Wenzls hat die Technik ein weiteres Plus: Sie können ihr Programm vielfältiger gestalten, weil die Kopien, einmal auf den Server geladen, auch noch gezeigt werden können, wenn die Festplatte längst schon weitergeschickt wurde. "So können wir Filme länger und auch mal zwei Tage zwischendurch zeigen", sagt Claudia Wenzl.

Auch Heidi Menzel findet das digitale Procedere, das sie sich in Penzberg schon mal angeschaut hat, einfacher. Ob sich der Kinoverein Kochel mit seinen 159 Mitgliedern die neue Technik jedoch leisten kann und bis zu 50 000 Euro für einen neuen Projektor investieren will, ist noch offen. Die Besucherzahlen sinken wie überall, in Kochel auf zuletzt rund 8000 pro Jahr. Und ob analog oder digital: "Wir brauchen mehr ehrenamtliche Vorführer", sagt Heidi Menzel, das ist ihr großer Wunsch.

© SZ vom 05.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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