Der Moorwald:Lebensraum für seltene Arten

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Nach der Renaturierung des Höfner Filzes wachsen dort Rosmarin, Sonnentau und Wollgras - und auch Tierarten finden sich wieder ein.

Ingrid Hügenell

Sabine Tappertzhofen steht mitten auf der leicht vereisten Straße von Königsdorf nach Mooseurach. Nördlich der Straße: ein Fichtenschlag. Hohe, gleichmäßige Stämme, wenig Unterwuchs. Südlich der Straße: erst ein fast zugefrorener Graben mit moorigem Wasser, dann das Moor selbst, das Höfner Filz, schütter bewachsen mit teils krüppeligen Bäumen. "Da geht dem Bauern das Herz auf", sagt Tappertzhofen mit Blick auf die Fichten. "Das andere ist Ödnis."

Der Moorwald ist Lebensraum für eine hochspezialisierte Tier- und Pflanzenwelt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Tappertzhofen ist Biologin, für den Landesbund für Vogelschutz tätig und sieht die Sache von daher etwas anders. Der Fichtenforst im Moor gefällt ihr viel weniger gut als der Wald im Hochmoor. Denn der ist etwas ganz Besonderes. So richtig nützlich für den Menschen ist er allerdings nicht. Dafür in seiner Urtümlichkeit einfach nur schön. Er liefert kein Bauholz, und obwohl früher Bäume als Brennholz oder als Schmuck geschlagen wurden, war die Ausbeute doch gering.

Hochmoore sind eigentlich zu feucht, als dass Bäume in ihnen wachsen könnten. Doch im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen wie auch sonst am Alpenrand gibt es Moore, in denen, rund um die offene Hochmoorweite, natürlicherweise Bäume vorkommen. Spirken vor allem, das sind Moorkiefern. Nahe verwandt mit den kriechend wachsenden Latschen stehen sie aufrecht. Auch Birken sind da, und vereinzelte Waldkiefern. Diese Bäume kennt jeder, allerdings in der groß gewachsenen Ausführung mit dem deutlich orangefarbenen Stamm. Im Moorwald kümmern sie vor sich hin, je feuchter ihr Standort, umso mickriger sehen sie aus.

Das macht sie zu guten Anzeigern für den Wassergehalt des Bodens - je größer die Kiefer, desto trockener der Boden. Die Spirken kommen mit der Nässe und den wenigen Nährstoffen, die im Moorboden vorhanden sind, besser zurecht. Sie wachsen zwar sehr langsam, doch sie sehen gesund und kräftig grün aus dabei.

Ganz vereinzelt stehen auch Fichten im Moorwald. Die hat meist der Mensch dorthin gebracht, und sie tun dem Moor nicht gut. Denn sie spenden so viel Schatten, dass die Torfmoore unter ihnen nicht wachsen, und sie entziehen dem Boden Wasser. Nur am Rande eines Moores kommen sie natürlicherweise vor, sagt Tappertzhofen. Doch vor etwa hundert Jahren begann der Unternehmer Robert Bosch, der ein Gut bei Mooseurach gekauft hatte, damit, das Moor zu entwässern, Landwirtschaft zu betreiben und aufzuforsten: Ertragreiche Fichtenwälder waren damals wichtiger als die "Ödnis" von Mooren und Moorwäldern.

Dass das Höfner Filz heute noch in einer sehr naturnahen Form existiert, ist den Nachfahren Boschs zu verdanken, dem Bund Naturschutz und Marika Bernrieder. Denn im Jahr 2005 begannen Maßnahmen zur Rettung des Moores. Dass gerade das Höfner Filz ausgewählt wurde, liegt auch daran, dass es direkt an das Breitfilz anschließt, ein großes Hochmoor, das schon in den 1990er Jahren renaturiert worden war.

Nun galt es, im Höfner Filz alte Entwässerungsgräben zu schließen und Bäume wie Fichten, große Kiefern und Birken herauszunehmen, die dem Moor zu viel Wasser entziehen. Mit der Planung und Leitung wurde unter anderem die Königsdorferin Marika Bernrieder betraut. Wie der BN auf seiner Homepage schreibt, wurden 15 Drainagen unterbrochen, Gräben durch zehn Dämme angestaut und eine Geländestufe ausgeglichen, die sich zwischen dem weitgehend intakten, feuchteren und dadurch höher gelegenen Gebiet und dem stark entwässerten, niedrigeren Gebiet gebildet hatte.

Bernrieder berichtet, auch bei Führungen, begeistert vom speziellen Lebensraum Moorwald, in dem sich nun, nachdem durch die Renaturierung der Wasserspiegel wieder dauerhaft hoch ist, zahlreiche Libellen eingefunden haben. Typische Moorpflanzen wie die Rosmarinheide, die Moosbeere und sogar der Sonnentau sind wieder zu finden, Torfmoose und Wollgras breiten sich aus.

Der Moorwald wäre auch ein idealer Lebensraum für das Birkhuhn, das in Deutschland bis auf Restbestände ausgestorben ist. Bis in die 1970er Jahre hinein habe es in Mooseurach viele Brutpaare gegeben, erzählt Marika Bernrieder. Doch die scheuen Rauhfußhühner reagieren ausgesprochen empfindlich auf Störungen, vor allem im Winter. "Wenn die ein paarmal aufgeschreckt werden, kostet sie das so viel Energie, dass sie den Winter nicht überleben."

Birkhühner gibt es heute nicht mehr, nicht im Höfner Filz und im Breitfilz auch nicht. Doch Bernrieder hält es für möglich, dass Birkhühner in die renaturierten Flächen wieder einwandern. Dort finden sie, anders als auf ganz offenen Flächen, Deckung, Beeren als Nahrung, Insektenlarven zur Aufzucht der Jungen und höhere Bäume, auf denen sie gerne schlafen.

Und noch etwas können Moor und Moorwald, außer Lebensraum sein für seltene, geschützte Arten. Beide haben eine wichtige Funktion, die rund um Mooseurach gerade erforscht wird. Sie speichern große Mengen Wasser, können also Hochwasser die gefürchteten Spitzen nehmen. Obendrein nehmen sie viel Kohlendioxid auf und könnten so dem Klimawandel entgegen wirken.

© SZ vom 03.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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