Bad Tölz:Starker Seegang im Kurhaus

Lesezeit: 2 min

Die wunderbare Diva Annette Postel bezirzt das Publikum mit ihrem Programm "Titanic 2".

Petra Schneider

Klanggipfel: In dieser Reihe treten hochkarätige Künstler auf. Annette Postel wurde vom Philharmonischen Streichquartett München begleitet. (Foto: Manfred Neubauer)

Ach, was müssen das für goldene Zeiten gewesen sein, als Frauen noch mondän sein durften und nichts anderes im Sinn hatten, als Männer um den Finger zu wickeln. Als Beziehungen noch Amours fous waren und Liebhaber noch nicht "Lebensabschnittsgefährten" hießen. Wenn es sie so je gab, die goldenen 20er Jahre, dann sind sie am Freitag für einen Abend lang wiederauferstanden. Das Kurhaus wird zum Luxusdampfer, der Ozeanpianist Jan Röck und das Philharmonische Streichquartett München mit Bernhard Metz(Violine), Domas Juskys (Violine), Konstantin Sellheim (Viola) und Manuel von der Nahmer (Cello) spielen ein geschmeidiges Potpourri aus Klassik, Filmmusik und Chansons und begleiten sie: Annette Postel, die Diva im roten Abendkleid samt Federboa und Kopfputz.

"Titanic 2" heißt das Programm der mehrfach preisgekrönten Chanteuse und Opernsängerin mit der klassisch ausgebildeten Sopranstimme. "Alles wegen der Nostalgie", schnurrt sie ins Mikro. Und dann legt sie los, singt von Casanovas mit schütter gewordenem Haar, von Neandertaler-Männern und Fidschi-Insulanern und feuert glühende Blicke ins Publikum zu Tango und Flamenco. Postel umgarnt ihre Musiker und flirtet mit Günter aus dem Publikum, sie trinkt Champagner und rekelt sich auf dem Flügel - vor allem aber ist sie wunderbar komisch.

Nie wird diese Seereise schwülstig, mit Leichtigkeit und Humor umschifft Postel die Klippen einer kitschigen Verklärung. Zum Beispiel wenn sie zum Flamenco den Fächer als Bart zweckentfremdet, mit rostiger Altmännerstimme das Lied von Donna Clara singt ("Ich habe dich beim Tanzen gesehn, Donna Clara du bist wunderschön"), dann hält sich Postel die Nase zu beim Singen und klingt wie ein altes Grammophon mit Sprung in der Platte. Oder wenn sie sich eine langstielige Rose in den Mund klemmt und den peinlich berührten Pianisten umschwänzelt, um sich anschließend Rosenreste aus den Zähnen zu pulen und das Lied von der "Lispelmaus" zu singen: "Meine Lippen küthen tho heith".

Postel genießt die Pose der temperamentvollen Diva und sie ironisiert sie - liebevoll und mit schöner Stimme. Ein voller Sopran, der besonders im zweiten Teil zur Geltung kommt: Da werden die Schlager melancholischer, statt Schampuslaune gibt es Katerstimmung mit Eifersucht, Untreue und vielen Seufzern. Das Philharmonische Streichquartett passt gut ins Konzept, weil die Musiker der Chanteuse nie die Show stehlen: Vier Herren im Frack, die Postel konzentriert und zurückhaltend, mal federleicht, mal schmissig, bei Schlagern von Friedrich Hollaender, Löhner Beda oder Paul Abraham begleiten.

"Titanic 2" ist das vorletzte Konzert aus der Reihe "Klanggipfel", und auch diese Veranstaltung, zu der etwa 60 Zuhörer gekommen sind, ist eine Delikatesse: Hochkarätige Künstler und ein besonderes Programm, so wie sich das die Initiatoren vorgenommen haben.

Nach zwei Zugaben lassen die Zuhörer Postel und ihre Männer von der Bühne. Dann beginnt die Chanteuse gefährlich zu schwanken - der Seegang im Kurhaus ist gewaltig - die Streicher müssen sich übergeben, der Pianist sinkt unter seinem Flügel zusammen, ein Rettungsring wird auf die Bühne geworfen. Und dann gehen endgültig die Lichter aus nach diesem charmanten Abend.

© SZ vom 04.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: