Wirtshaus Ridler:In der Puppenstube

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Der Service passt im Wirtshaus Ridler. Doch den im Internet formulierten hohen Ansprüchen wurde die Küche beim Test nicht gerecht. (Foto: Stephan Rumpf)

Zu viel Salz, zu viel Sahne: Das Wirtshaus Ridler auf der Schwanthalerhöhe will mit Vorurteilen über die deutsche und bayerische Küche aufräumen - scheitert aber am eigenen Anspruch.

Von Pep Rooney

Dieser Text ist leider veraltet, das Wirtshaus gibt es inzwischen nicht mehr.

Bayerische Lokale haben es nicht immer leicht, sich von der Masse abzuheben. In München gibt es unzählige Wirtshäuser, die traditionell daherkommen - mit klassischer Holzvertäfelung ohne großen Schnickschnack und mit einer ebenso klassischen bayerischen Speisekarte mit Schweinsbraten und Co. Alleine Augustiner-Wirtschaften gibt es im Stadtgebiet mehr als 50. Oft sind es gemütliche Nachbarschaftslokale, die wenig Aufsehens von sich machen und tatsächlich nichts Besonderes, aber trotzdem gut und gut besucht sind. Und für viele, die irgendwo essen wollen, aber nicht so recht wissen, worauf sie gerade Lust hätten, geht ein klassisches Wirtshaus immer.

Auch das Wirtshaus Ridler im Westend sieht zumindest von außen aus wie ein ganz normales Gasthaus. Doch der klassisch-schlichte Augustiner-Schriftzug an der Fassade täuscht. Denn innen erwartet einen eine Art maximal ausgestattete Puppenstube, mit Teppichen auf dem Boden und allerlei Kitschdekoration. Allein ein flüchtiger Rundblick erfasst diverse Madonnen, von zwei Bildschirmen flackert Kaminfeuer, und auch der Rest des Lokals, inklusive der Toiletten, ist so mit Nippes vollgestellt, dass der Gast sich eher im Haus einer englischen Land-Lady wähnt, denn in einem hiesigen Restaurant. Aber das muss ja nichts Schlechtes bedeuten, die Einrichtung wirkt durchaus gemütlich und warm, und man kann zumindest sagen: Ja, das ist wirklich mal was anderes!

Zu viele Vorschusslorbeeren

Seit gut viereinhalb Jahren betreibt die Münchner Esskultur GmbH mit Geschäftsführer Roman Sommersperger das Ridler. Und angetreten ist das Team mit dem Anspruch, das Vorurteil der lange als unmodern und verstaubt verrufenen deutschen Küche zu entkräften. So steht es auf der Homepage des Lokals ( die mittlerweile nicht mehr online ist, Anm. d. Red.). Dort heißt es auch, man biete "erstklassige bayerische deutsche Küche höchster Qualität mit ausgewählten Zutaten". Und die Küche richte sich danach, was die Natur saisonal so zu bieten habe. Das und die vielen guten bis sehr guten Bewertungen im Internet sind Vorschusslorbeeren, die hohe Erwartungen weckten.

Hmm, ach Internet! Wieder mal sind wir auf dich hereingefallen! Denn was im Ridler auf den Tisch kam, war ein klassischer Fall, bei dem Schein und Sein weit auseinanderdriften. Sehr weit sogar. Denn auch wenn der Service im Ridler überaus zuvorkommend und freundlich war, vor dem Essen einen kleinen Gruß aus der Küche servierte und danach einen Gratisschnaps: Das Essen hielt nicht, was die Werbung versprach.

Die kulinarisch finsteren Siebzigerjahre

Eher gewöhnungsbedürftig: ein Deko-Hirsch auf dem Tisch hinter der Ente mit Kartoffelknödeln. (Foto: Stephan Rumpf)

Angefangen bei der Tafelspitzbouillon mit Leberknödel, die bei beiden Besuchen viel zu salzig schmeckte, was entweder auf einen dauerverliebten Koch schließen oder Packerlbrühen-Verdacht aufkommen lässt. Im Gegensatz dazu schmeckte das Schaumsüppchen von der Marone mit Trüffelsahne vor allem nach: Sahne und sonst nach nicht viel, was auch auf die recht dünne Kürbissuppe mit Curryschaum (jeweils sechs Euro pro Suppe) zutraf.

Gut gelungen war der schön cremige mit Thymian und Honig gratinierte Ziegenkäse, der mit einem frischen und knackigen Salat serviert wurde (zwölf Euro). Auch die gebratenen Blutwurstscheiben für elf Euro und das dazu servierte Apfelragout (eine Art bissfesteres Kompott) zergingen schön auf der Zunge - nur der "Kartoffeltaler" erinnerte an die kulinarisch finsteren Siebzigerjahre, als in vielen Haushalten labbrige Tiefkühl-Reiberdatschi zur Standardernährung zählten. Mit einem schönen österreichischen Blunzengröstl, das wirklich köstlich sein kann, konnte diese Vorspeise jedenfalls nicht mithalten.

Als dann das Rinderfilet für 28 Euro auf den Tisch kam und angeschnitten wurde, freuten sich die Esser - zunächst: Innen war es schön rosig, außen schön braun, doch ein unangenehmer Lebergeschmack bremste schnell den Appetit. Als Beilage gab es übrigens Steinpilze, die offenbar getrocknet und eingeweicht waren - so viel zu Saisonalität. Auch der "rosa Rehrücken" für stolze 29 Euro hielt nicht, was die Speisekarte versprach. Rosa war er schon mal nicht. Und bei den wirklich, wirklich bissfesten, hausgemachten Haselnussspätzle fragte man sich, wann genau die denn hausgemacht gewesen sein könnten. Auch ein Bad im Lavendeljus (hier die Frage: Braucht's den?) half da nichts mehr.

Mehr Enttäuschung als Lichtblick

Immerhin ein Lichtblick war das Wiener Schnitzel vom Kalb für faire 18 Euro aus zartem Fleisch und fluffiger Panade - wenn auch die Bratkartoffeln dazu ein bisschen zu trocken waren. Auch die Bandnudeln mit Lachswürfeln und Blattspinat in Weißwein-Rahmsoße für 15 Euro waren okay: Die Nudeln hatten den richtigen Biss, die Soße war gut abgeschmeckt.

Die Nachspeise enttäuschte dann wieder: Lätscherte, in Vanillebaz ertränkte Marillenknödel (6,50 Euro) und ein undefinierbares Sahnegericht im Weckglaserl (sechs Euro), das als bayerische Creme verkauft wurde. Über Letzteres decken wir den Mantel des Schweigens, nur so viel: Beim zweiten Besuch ließen wir das Dessert einfach weg. Um die bayerische Küche wird derzeit ziemlich viel Gewese gemacht - zurecht. Hat sie doch wesentlich mehr zu bieten als Schweinsbraten und Hendl. Aber auch wenn sie nicht so raffiniert ist wie zum Beispiel die französische Küche, hier gilt ebenso: keine Qualität ohne Sorgfalt. Darauf sollte sich das Ridler besinnen. Der Ansatz passt, die Ausführung stimmte bei einigen gekosteten Gerichten leider überhaupt nicht - viel Lärm um wenig!

© SZ vom 05.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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