Wiesn-Aufbau:Ehe das Bier fließt, fließt der Schweiß

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Seit Mitte Juli sind mehrere hundert Handwerker mit den Vorbereitungen für das Oktoberfest beschäftigt. "Das ist schließlich keine Hinterhof-Veranstaltung", sagt der Sprecher der Wirte. Was gibt es Neues von der Wiesn-Baustelle?

Von Till Erdtracht

Maler verpassen den abgenutzten Verkleidungen der Zeltfassaden einen neuen Anstrich, und die riesigen Biertanks, die jeweils 50 Hektoliter fassen, werden in Position gebracht. Der Rundgang auf der Theresienwiese zeigt: Bald kann es mit der Wiesn zum 171. Mal losgehen.

Schon recht bunt und gemütlich schaut's aus im Paulaner Zelt. (Foto: Foto: son)

Zeit für größere Ruhepausen gibt es jedoch nicht: "Bis zum Start am 18. September wird noch richtig gebuckelt", erklärt Toni Roiderer, Sprecher der 14 Wiesnwirte und Chef des Hackerzelts. Einzig die Marktkaufleute und die Fahrgeschäfte vermisst der Besucher des Wiesnaufbaus noch: Ein paar Handwerker basteln lediglich an der Errichtung des Fünfer-Loopings und des Riesenrads.

Seit Mitte Juli beschäftigen sich 50 bis 80 Arbeiter pro Zelt mit dem Aufbau der Biermeile, auf der in zwei Wochen wieder fünf bis sechs Millionen Maß Bier durch die Kehlen der Besucher laufen werden.

Der Aufwand ist laut Toni Roiderer so enorm, weil die Wiesn aus gastronomischer Sicht in der Weltliga spielt: "Das ist ja hier keine Hinterhofveranstaltung. Bei einem Fest in Straubing haben sie ihr Zelt in zehn Tagen aufgestellt. Für die zwei Wiesn-Wochen muss die Ausstattung so attraktiv wie bei einer großen und gemütlichen Gaststätte sein", sagt Roiderer.

"Da muss jeder Handgriff sitzen"

Dafür ist die ganze Bandbreite der Handwerkszünfte gefragt. Die Zimmerer, Elektriker, Schreiner, Schlosser und Maler bringen zum Großteil eine Erfahrung beim Wiesnaufbau von fünf bis dreißig Jahre mit.

"Da muss jeder Handgriff sitzen", bekräftigt Gerhard Wodak, der den Bau des Paulaner-Zelts überwacht. Nach seinen Angaben werden 50 Lkw-Container Material, überwiegend Holzteile, benötigt. Einzig für die festen Fundamente im Boden ist kein Transport notwendig.

Wodaks Team stellt zunächst die Stahlsäulen auf. Daraufhin bringt es Dach und Balkone an. Jetzt erst wird der Boden sowie die Elektrik verlegt, und die Arbeit der Dekorateure kann beginnen. Einer von ihnen ist Wolfram Burkhart, der für Löwenbräu tätig ist. Um einen der vielen Kränze aus schwer entflammbarem Kunststoff zu binden, braucht er fünf bis sechs Stunden.

Der Löwe steht, nur die Schallplatte fehlt

Für Atmosphäre sorgt bei seinem Arbeitgeber vor allem der weltbekannte Löwe, der bereits jetzt an der Zeltvorderseite montiert worden ist. An jedem Wiesntag brüllt er den Namen seiner Brauerei über die Theresienwiese. Noch hat er nichts zum Besten geben können, da er nicht mit der Elektrik verbunden ist: "Die Schallprobe steht noch aus", sagt Burkhart.

Die gesamten Kosten für den Aufbau eines Zelts belaufen sich laut Toni Roiderer auf etwa 1,5 Millionen Euro. Rechnet man zu dieser Zahl die höheren Platzmieten sowie gestiegene Brauerei- und Personalkosten, so könne man verstehen, warum der Bierpreis dieses Jahr bei ihm um 30 Cent auf beachtliche 7,10 Euro steigt.

Allerdings räumt er ein: "Wer in der Champions League spielt, der will halt auch mehr verdienen. Zudem trage ich ja ein enormes Risiko bei der Kalkulation. Wenn etwas schief geht, dann muss ich den Kopf hinhalten."

Das müsste sicher auch Rudolf Barth, der Betreiber des Fünfer-Loopings, wenn es bei ihm zu einem Zwischenfall kommen sollte. Damit dies nicht passiert, arbeitet der Schausteller während der Aufbauphase von zweieinhalb Wochen eng mit dem TÜV zusammen. "Die kontrollieren wirklich jede Schraube. Alles, was nicht mehr hundertprozentig sicher ist, wird ausgewechselt", versichert Barth. Investitionen in die Sicherheit des 1000 Tonnen schweren Fahrgeschäfts sind unerlässlich.

"...schon die Bierzelte durch die Gegend geflogen"

Dies gilt ebenso für den Besitzer des Riesenrads, Herbert Koppenhöfer. "Bis jetzt hat es noch jedem Sturm standgehalten, auch wenn schon die Bierzelte durch die Gegend geflogen sind", scherzt Koppenhöfer, der dieses Wahrzeichen des Oktoberfests einst mit seiner Schwester vom Großvater übernahm.

Im Moment streichen die Maler noch die Kabinen zur Verschönerung der Optik, bevor das komplette Riesenrad innerhalb von fünf Tagen hochgezogen wird. Als Hilfsmittel dienen Seil- und Flaschenzüge - vor allem aber die bloßen Hände: "Der Aufbau hat sich seit 80 Jahren nicht verändert", sagt Koppenhöfer, der froh ist, dass die Stadt München weiterhin auf die Nostalgie des originalen Münchner Riesenrads setzt, das von anderen Volksfesten längst verdrängt worden ist.

Die meisten Schausteller-Kollegen kommen erst eine Woche vor dem Wiesn-Start, weil der Aufbau keine große Hürde darstellt. Im Vergleich dazu erscheint die Errichtung der Bierzelte wie die Ersteigung des "Everest". Wie hier gilt auch auf der Wiesn: Der "Abstieg" fällt deutlich leichter, denn die Theresienwiese wird innerhalb von vier Wochen wieder komplett geräumt sein.

Doch im Moment will daran noch niemand denken, denn den Saisongipfel genießt natürlich jeder - nach Toni Roiderer vor allem der Besucher: "Den Wirten geht es nicht um eine Rekordwiesn. Wir wollen eine friedliche, schöne Wiesn mit vielen fröhlichen Leuten!"

© SZ vom 3.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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