Wie es begann:Die Prachtschüssel - aus der Not geboren

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Das Olympiastadion sollte WM-tauglich werden - doch Architekt Behnisch erzwang den Fröttmaninger Neubau.

Von Alfred Dürr

Durch das Zelt, in dem sich die Prominenz aus Sport, Politik und Wirtschaft versammelt hat, zucken bunte Laserstrahlen. Über die Riesen-Bildschirme laufen Videos mit den Höhenpunkten aus den Vereinsgeschichten der beiden Fußball-Clubs FC Bayern und TSV 1860. Hier wird nicht gespart an bombastischen Effekten, denn schließlich gilt es, eine besondere Grundsteinlegung zu feiern: Vor dem Festzelt wird auf der leeren, weiten Fläche ein gigantisches Fußballstadion entstehen - Münchens neue Arena in Fröttmaning.

Das alte und das neue Stadion - aus der Luft gesehen. (Foto: Fotos: Klaus Leidorf)

Es ist der 21. Oktober 2002. Die Stimmung ist blendend, denn die schwierigsten Hürden für das Großprojekt am nördlichen Rand der Stadt sind überwunden. Vorbei sind die zähen Verhandlungen zwischen Stadt, Freistaat und Vereinsvertretern. Bei den berühmt-berüchtigten ¸¸Stadiongipfeln" ging es um ein zentrales Thema: Kann das Olympiastadion in eine moderne Fußball-Arena umgerüstet werden, oder baut man gleich völlig neu? Nicht unwesentlich dabei war die Frage, wo überhaupt auf dem Stadtgebiet Platz für ein solches Sport-Monstrum wäre.

Umbau des Olympiastadions? Hand anlegen an ein herausragendes Baudenkmal mit seiner typischen Zeltdach-Architektur, die auch nach mehr als 30 Jahren ihres Bestehens weltweit Beachtung und Lob erhält? Die Wellen der Emotionen schlugen hoch. Pläne, wie und in welchem Umfang umgebaut werden könnte, wurden hin- und hergewälzt. So lange, bis Franz Beckenbauer im Ungeduldszorn der Spruch entfuhr, es werde sich doch irgendwo irgendein Terrorist finden lassen, der das Olympiastadion in die Luft sprengt.

Die Funktionäre der Fußball-Vereine hatten Mitte der neunziger Jahre nur eines im Sinn: Das Olympiastadion sei auf keinen Fall mehr zeitgemäß für den eingefleischten Fan. Der wolle bei Spielen nicht im Regen stehen, in bitterer Kälte frieren oder 60 bis 80 Meter Luftlinie vom Geschehen entfernt sein. Die Menschen von heute hätten andere Ansprüche an ein Stadion, als diejenigen zur Zeit der Olympischen Spiele 1972 in München. Der Verwaltungsbeirat des FC Bayern stimmte Ende 1997 für einen Neubau. Gedacht war unter anderem an ein Grundstück in der Nähe der Messe Riem.

Die Stadt aber wollte das Olympiastadion für den Fußballbetrieb unbedingt erhalten. Immerhin sicherte dieser Einnahmen von fünf Millionen Euro im Jahr. Die verschiedenen Umbauvarianten wurden weiter intensiv erörtert. Tatsächlich einigten sich alle Beteiligten nach vielen Monaten der Diskussion auf den 400 Millionen Mark teuren Großumbau, bis dann Ende des Jahres 2000 ein Expertenhearing im Rathaus für einen wahren Knalleffekt sorgte.

Völlig überraschend erklärten die Architekten aus dem Büro Günter Behnisch - dem Schöpfer der weltberühmten Olympiabauten - am 7. Dezember 2000 die Unmöglichkeit eines Umbaus: Aus dem Olympiastadion sei nach genauer Prüfung aller Fakten keine ideale Fußballarena zu machen. Jetzt war die Neubau-Lösung wieder das große Thema.

Alle Flächen, die jemals vorgeschlagen und aus den verschiedensten Gründen verworfen worden waren, wurden nun nochmals intensiv unter die Lupe genommen. Dabei blieben am Ende zwei Standorte übrig: Das Gelände der Zentralen Hochschulsportanlage (ZHS) westlich des Olympiadorfes und das Gewerbegebiet Fröttmaning. Beim ZHS-Gelände gab es einen Riesenaufstand der Nachbarschaft. Es zeigte sich schnell, dass dieser Bauplatz gegen die Klagen der Anwohner nicht durchsetzbar sein würde, jedenfalls rechtzeitig zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Damit lief alles auf Fröttmaning zu. Auf die Stadt kamen mehr als 70 Millionen Euro an Kosten für den Ausbau von Straßen und U-Bahn zu.

Heftiger Zeitdruck

Doch nun ging alles Schlag auf Schlag. Der Zeitdruck wurde heftig. Denn Ende 2001 mussten die Bewerbungsunterlagen als Austragungsort für die Fußball-WM 2006 eingereicht sein. Schon bei der Aufzählung der Planungsverfahren schwirrt der Kopf: Raumordnung, Flächennutzungsplan- und Bebauungsplanänderung oder Umweltverträglichkeitsprüfung.

Vorher gab es am 21. Oktober den Bürgerentscheid über den Stadionbau. Eine deutliche Mehrheit von 65,7 Prozent sprach sich dafür aus. Übrigens war das eine Abstimmung mit Rekordbeteiligung in der Geschichte der Münchner Bürgerentscheide. 37,5 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihr Votum ab. Stadt und Freistaat setzten alles daran, die Planungsverfahren zügig abzuwickeln.

Im August hatten die Fußballvereine acht Planungsgemeinschaften von Architektenbüros und Bauunternehmen vorgestellt, die den Neubau realisieren sollten. Bis November wurden ihre Entwürfe erwartet. Ende des Jahres 2001 standen die beiden Teilnehmer der Endrunde fest.

Die Schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron hatten mit ihrem spektakulären und außergewöhnlichen ¸¸Schwimmreifen" alle überzeugt, aber sie mussten im Wettstreit um die endgültige Feinplanung noch gegen das Hamburger Büro Meinhard von Gerkan und Volkwin Mang antreten, die sich mit ihrem Entwurf eher am klassischen Stadionbau orientiert hatten.

Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte des neuen Stadions war der 8. Februar 2002. Denn an diesem Tag wurde im Rahmen einer Großveranstaltung bekannt gegeben, dass Herzog und de Meuron das Endspiel gewonnen hatten. Außerdem erfuhr man offiziell, dass ihr Stadion künftig ¸¸Allianz Arena" heißen würde, da der Versicherungskonzern eine langfristige Marketingpartnerschaft mit den Fußballclubs FC Bayern und TSV 1860 eingegangen war.

Das Jahr 2002 hatte also mit einem Höhepunkt in der Stadionplanung begonnen und es endete auch mit einem solchen. Mit der Grundsteinlegung im Oktober war der offizielle Startschuss für den Baubeginn des modernsten Stadions Europas gefallen. Als die spektakuläre Lasershow vorbei war, schwebte der Grundstein vom Himmel herab.

Aus der leeren Fläche wuchs das Stadion in geradezu atemberaubendem Tempo. Eine mustergültige Baustelle, an der nichts auszusetzen war - bis die unsägliche Schmiergeld-Affäre ihr sauberes Image erstmal ganz schön ramponierte.

© SZ am 02.05.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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