Welttheater zwischen Lift und Drehtür:Noch viel mehr Luxus

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Das Grand Hotel, Relikt aus den Anfangszeiten des Tourismus, erfuhr durch die Schriftsteller höhere Weihen.

Hans Gasser

Kinder, geht doch zu Lorenz Adlon! Bei mir im Schloss ist es kalt, es zieht, und in den Badezimmern läuft das heiße Wasser nicht.'' Der Kaiser selbst empfahl seinen Gästen das 1907 eröffnete Hotel am Pariser Platz in Berlin. Eine bessere Werbung konnte man sich als Hotelier damals nicht wünschen.

(Foto: Foto: dpa)

Es heißt, manch Adeliger hätte sein Palais verkauft, um fortan in den gut beheizten Suiten des Hotels zu wohnen. Dabei hatte das Hotel mit seinen 260 Gästezimmern und 322 Betten nur 110 Badezimmer.

Doch dies war viel mehr Luxus als sonst gewohnt. Zehn Jahre vorher, 1897, hatte in Paris noch das Hotel Bristol als wegweisend im Sanitärbereich gegolten -mit einem einzigen Badezimmer pro Stockwerk. Auch das Hotel Kaiserhof in Berlin besaß nur ein Bad und ein paar Toiletten pro 60 Zimmer.

Bis ins 20. Jahrhundert hinein gab es in vielen der sogenannten Grandhotels nur zwei bis vier Toiletten auf dem Stockwerk. Erst der Luxushotel-Pionier César Ritz verfügte, in all seinen Häusern jedem Zimmer ein Badezimmer zuzuordnen. 1893 wurde das Grand Hotel in Rom, 1898 das Ritz in Paris und 1899 das Carlton in London nach dieser Vorgabe eingerichtet.

Die vom heutigen Standpunkt aus oftmals prekären sanitären Verhältnisse konnten dem grandiosen Ruf des Grand Hotels jedoch nichts anhaben. Dafür sorgten vor allem Schriftsteller und Journalisten, die durch ihre Geschichten, aber auch durch ihre Anwesenheit wesentlich zum Renommée der Grand Hotels beitrugen.

Das wussten die Direktoren auch, und so ließ man die Schreiber zuweilen in kleinen Zimmern in den oberen Etagen für geringes Geld logieren. ,,Wie andere Männer zu Heim und Herd, zu Weib und Kind heimkehren, so komme ich zurück zu Licht und Halle, zu Zimmermädchen und Portier...'' schrieb Joseph Roth, der einen Großteil seines Lebens in Hotels wohnte und in seinem Roman ,,Hotel Savoy'' dem k.u.k Grandhotel ein literarisches Denkmal setzte.

Speziell der Portier hat es den Schriftstellern angetan: ,,Meine Daten sind ihm geläufiger als mir selbst (...) sein Glaube an die Unerschöpflichkeit meiner Einnahmequellen ist selbst unerschöpflich. Und käme ich in Lumpen und als ein Bettler daher, er hielte es für eine witzige Verkleidung.

Er weiß, dass ich nur ein Schriftsteller bin, und dennoch gibt er mir Kredit,'' schreibt Roth. Für Mark Twain ist der Portier der ,,Schutzengel des Fremden'': ,,...empfängt einen wie ein lang vermisstes Kind, wenn man zurückkehrt; erledigt selbst alle Streitereien mit dem Droschkenkutscher und zahlt ihm das Geld aus seiner eigenen Tasche.''

Das Grand Hotel war die eigentliche Bühne des Großbürgertums der Belle Époque. Nirgends waren auf so kleinem Raum so viele verschiedene Nationalitäten, so viele Klassen und Schichten vom Stubenmädchen bis zum Stahlbaron vertreten.

Und wohl nirgends war das Sehen und Gesehen werden, das Spielen einer bestimmten Rolle einfacher und gewinnverheißender als in der Halle und den zahllosen Salons eines Grand Hotels.

Genau das hat wohl die Schriftsteller angezogen, abgesehen davon, dass sie es auch gerne luxuriös mochten: Eine von dicken Mauern und hohen Fenstern eingegrenzte Öffentlichkeit, die gerade groß genug war, um der Phantasie ausreichend Nahrung zu geben, und nicht zu groß, um den Überblick zu verlieren.

Die Grand Hotels waren an sich bereits eine einzige Inszenierung. In Frankreich wurden sie häufig in ehemaligen Adelspalästen eingerichtet. Und auch die Neubauten zitierten barocke Schlösser und Palais.

Die Zusätze Royal, Residence, Imperial etc. sollten diesen Anspruch noch untermauern. Der zu Geld und Macht gekommene Bürger konnte hier gegen bare Münze eine Zeitlang residieren und sich bedienen lassen wie ein Fürst.

Die auch Palast Hotels genannten Häuser entstanden allesamt im Windschatten der Eisenbahnlinien, die um 1860 durch Europa gezogen wurden und Massentourismus erst möglich machten.

Die Weltausstellungen, mit denen die Nationen ihren technischen Fortschritt und ihre kulturelle Eigenständigkeit zelebrierten, waren ebenfalls ein starker Motor. In Wien wurden drei der großen Ringstraßenhotels zur Weltausstellung 1873 fertig gestellt, alle drei mit Personenaufzug.

Die Schweiz, das vielleicht beliebteste touristische Reiseziel im Europa der Jahrhundertwende, wurde mit großen Hotelbauten an Seen und in der Bergeinsamkeit geradezu gespickt. 1880 gab es im ganzen Land etwa 1000Gastwirtschaftsbetriebe, 1912 waren es 3600.

Im Vorkriegsjahr 1913 zählte man 20Millionen Übernachtungen, eine Zahl, die in den folgenden 50Jahren nie wieder erreicht werden sollte. Auf dem Gipfel des Rigi, auf dem Bürgenstock, am Malojapass, in St.Moritz und natürlich an allen großen Seen entstanden pompöse Hotelburgen.

So rückwärtsgewandt sie in ihrer äußeren Erscheinungsform waren, so pionierhaft waren sie, was die technischen Neuerungen der Zeit anbelangt. Elektrisches Licht, Telegrafie, Telefon, Zentralheizung und Personenaufzüge wurden mitunter in Hotels auf ihre Tauglichkeit erprobt.

1889 waren in der Schweiz 30 Hotels elektrifiziert, aber nur drei Bahnhöfe und 15 Privathäuser. Das Grand Hotel Vevey hatte zwar nur Etagenklos, dafür im Jahr 1867 den ersten Personenaufzug der Schweiz.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die große Zeit der Grand Hotels zu Ende. In der Schweiz wurden bei vielen die Fassaden geschliffen oder man riss sie ganz ab. Man wollte modernere, zweckmäßigere und weniger opulente Hotelbauten.

Der Schriftsteller Anton Kuh, oft mittelloser Stammgast im Adlon, schrieb 1936 eine Wehklage auf das Ende einer Epoche: ,,Warum habt ihr dem Nachbar, wenn er in karierten Hosen und Flanelljacke erschien, die Tore weit geöffnet, und, wenn er wieder zuhause war, seine Ausrottung erwogen? O hättet ihr Hotel- statt Haus-Politik getrieben, das Grand Hotel Europa bestände heute noch!''

Ausstellungshinweis: Grand Hotel. Bühne der Literatur.

Von 29.03. bis 17.06. 2007 im Literaturhaus München, http://www.literaturhaus-muenchen.de/hotel

© SZ vom 29.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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