Vorschlag-Hammer:Wiesn-Wissenschaften

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Ein großes Rätsel, das ewig ungelöst bleiben wird, ist die Frage: Wie komme ich an einen Wiesntisch? Noch dazu, wenn ich bloß ein Münchner bin? Ganze Heerscharen von Kommunalpolitikern haben sich daran schon abgearbeitet

Von Franz Kotteder

Nun folgt ein Geständnis: Liebe Leserinnen und Leser, es ist in Wirklichkeit gar nicht so, wie es ein alter Witz behauptet. Es passiert nämlich viel mehr, als in eine Zeitung hineinpasst. Tatsächlich wählen Journalisten aus, was sie in ihre Zeitung hineinschreiben und was nicht. Und die Meinungen darüber, was da drinstehen sollte, sind oftmals sehr geteilt. Auch unter den Journalisten der Zeitung, übrigens.

Dieser Tage ist es zum Beispiel so gewesen, dass der Frühlingsanfang anstand. Das bedeutet: In einem halben Jahr ist wieder Oktoberfest. Mit einem Schlag standen in den Münchner Zeitungen wieder lauter Artikel, die sich mit dem anstehenden Oktoberfest befassten. So ging es zum Beispiel viel darum, weshalb die Schätzungen über den Gesamtverbrauch an Bier kurz vor Ende der Wiesn um eine gute Million Liter unter den tatsächlichen Zahlen lagen. Die Stadt wolle da etwas vertuschen, argwöhnten manche, weil sie um ihren guten Ruf besorgt sei. Ja, es wurde gar der schreckliche Verdacht geäußert, es handele sich bei der Wiesn in Wahrheit um eine Art Sauffest! Wo doch alle Welt immer noch davon überzeugt ist, dort führen unentwegt Kinderkarusselle im Kreis herum und alle tränken nur Limo.

Ein weiteres Rätsel, das ewig ungelöst bleiben wird, ist die Frage: Wie komme ich an einen Wiesntisch? Noch dazu, wenn ich bloß ein Münchner bin? Ganze Heerscharen von Kommunalpolitikern haben sich daran schon abgearbeitet. Mein Tipp geht dahin: Man kann als Münchner künftig einen Tisch für acht Personen für den zweiten Wiesnsamstag zwischen elf und 14.20 Uhr reservieren, wenn man nachweist, dass vier der acht Personen am Tisch innerhalb des Mittleren Rings leben und weitere zwei zumindest keine Preußen sind. Dem Antrag beizufügen sind ein Einkommensnachweis, eine Schufa-Auskunft, ein polizeiliches Führungszeugnis sowie eine Urinprobe der Großmutter väterlicherseits. Bewerben sich auf einen Wiesntisch mehr als zwei Gruppen, die o. a. Bedingungen erfüllen, so kommt ein 15-seitiger Punktekatalog zum Einsatz, mit dem sich ein berechtigter Anspruch wasserdicht ermitteln lässt. Die Fachanwälte für Wiesn-Recht werden die Entscheidungen zwar anfechten, aber: Ein Anfang hin zu mehr Rechtssicherheit wäre gemacht.

In den nächsten Wochen gibt es ein paar andere Dinge aufzuarbeiten. Es könnte passieren, dass die Höhe des Bierpreises Diskussionen auslösen wird. Möglicherweise geht es auch darum, wie hoch der Mindestverzehr in den Zelten sein darf. Wir bitten schon jetzt um Entschuldigung, falls wir nicht jedes Detail der kommenden Debatten in voller Schönheit abbilden können.

© SZ vom 04.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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