Vorbereitungskurs statt Lehrstelle:Stadt München will die Hauptschulen abschaffen

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Der Freistaat soll dem Beispiel Rheinland-Pfalz folgen und die Hauptschulen schließen. Millionenbeträge werden seit Jahren für die Qualifizierung von Arbeitslosen bereit gestellt. Erfolgreich?

Christian Rost

Die Stadt München fordert den Freistaat auf, dem Beispiel des Landes Rheinland-Pfalz zu folgen und die Hauptschulen abzuschaffen. Nur noch ein Drittel der Münchner Hauptschüler fänden ohne Hilfsmaßnahmen eine Lehrstelle, sagt Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD). Der einzige Ausweg sei eine längere gemeinsame Schulzeit.

(Foto: Foto: Robert Haas)

Auf den ersten Blick stellt sich die Situation für Jugendliche gar nicht so dramatisch dar. Mit 12.400 angebotenen Lehrstellen in diesem Jahr in München sei die Lage wegen der guten Konjunktur recht gut, zitierte Strobl aus dem Arbeitsmarktbericht.

Allerdings hat sich über Jahre hinweg ein Berg von fast 5000 unter 25-Jährigen gebildet, die keinen Job gefunden haben. Es sind vor allem ehemalige Hauptschüler, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind.

In den sogenannten Weiße-Kragen-Berufen haben sie keine Chance, weil sie den Anforderungen der Unternehmen nicht entsprechen. Ein Drittel der angebotenen Ausbildungsplätze entfällt auf die Sparten Einzel- und Großhandel, Bank und Büro, Versicherung, Hotellerie und Arztpraxen. Hier kommen fast ausschließlich Kandidaten mit Mittlerer Reife oder Abitur zum Zuge.

Fertigungsberufe, für die die jährlich 2500 Hauptschulabsolventen eher geeignet wären, machen nur ein Viertel aller Stellen aus. Viele Hauptschüler müssen letztlich in Qualifizierungprogrammen geparkt werden.

Die Agentur für Arbeit hat auch im laufenden Ausbildungsjahr wieder 1300 junge Leute in Berufsvorbereitungskurse aufgenommen, die ansonsten arbeitslos wären.

Das geht schon seit Jahren so: In der städtischen Berufschule zur Berufsvorbereitung am Bogenhausener Kirchplatz zum Beispiel hat sich in sechs Jahren die Schülerzahl auf 1900 verdoppelt. Würden nicht elf Prozent der Hauptschüler die neunte Klasse freiwillig wiederholen, erhöhte sich die Zahl der Jugendlichen ohne Lehrstelle noch einmal um 230.

Weitere elf Prozent fehlen in der Arbeitslosenstatistik, weil sie als Perspektive "noch offen" angegeben haben. "Diese Zahlen sprechen nicht für das System Hauptschule", sagt Strobl. Es komme nicht von ungefähr, dass die Hauptschule "als absolute Looserschule gilt".

Um die Hauptschüler mühevoll im Arbeitsmarkt unterzubringen, wendet neben der Arbeitsagentur, die allein zehn Qualifizierungsprogramme betreibt, auch die Stadt jedes Jahr Millionenbeträge auf. Neben Schulen wie der am Bogenhausener Kirchplatz finanziert die Kommune in 44 Hauptschulen das Berufsvorbereitungsprogramm "Jade", an dem 40 Sozialpädagogen mitwirken.

Solche Maßnahmen sind laut Schulreferat zwar erfolgreich: Besonders durch die Berufsvorbereitungskurse fänden bis zu 80 Prozent der Kandidaten einen Job. Wie viele Hauptschüler aber die Lehre überhaupt durchhalten oder was aus den Jugendlichen wird, die schon seit Jahren keine Arbeit finden, das weiß die Stadt nicht. Das Deutsche Jugendinstitut - von der Stadt beauftragt - untersucht den Erfolg der Qualifizierungsprogramme noch.

Bürgermeisterin Strobl erwartet sich davon ohnehin wenig Hoffnungvolles. Für die Misere sei das Schulsystem verantwortlich, sagt sie. Statt die Hauptschule "mit unausgegorenen Ganztagsangeboten oder anderen Hilfskonstruktionen mühevoll aufzuwerten, wäre es besser, sie abzuschaffen".

Kinder in der Gesamtschule hätten bessere Chancen. In München besuchten nach der Grundschule ohnehin nur noch 34 Prozent der Kinder eine Hauptschule.

© SZ vom 7. November 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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