Vor Gericht:Inkasso-Team mit Elektroschocker

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Ein Rollkommando aus Thüringen hat den Betreiber eines Fitness-Studios überfallen und brutal eingeschüchtert. Drahtzieher der Aktion soll ein Anwalt sein.

Von Alexander Krug

Schon äußerlich ist der Unterschied nicht zu übersehen: Vier Angeklagte sitzen seit gestern am Landgericht auf der Anklagebank. Drei der ganz in Schwarz gekleideten Herren sind von kräftiger Statur. Sie bildeten das Rollkommando. Ihr Auftrag lautete, einen säumigen Schuldner "mit Nachdruck" zur Zahlung zu bewegen. Der vierte Angeklagte trägt Brille und ist von deutlich schmalerem Wuchs. Er ist Anwalt und soll den Auftrag zu der Aktion gegeben haben.

Klaus S., 41, ist seit Jahren als Rechtsanwalt in Thüringen tätig. Laut Anklage betrieb er nebenbei eine Firma, die Fitness- und Wellnessgeräte vertrieb. Einer seiner Kunden war Wolfgang K., der im Münchner Umland ein Studio besitzt. Angeblich ließ er sich zahlreiche Geräte liefern, ohne die Rechnung vollständig zu bezahlen. 114000 Euro sollen noch offen gewesen sein.

Geld oder Niere

Am 15. September vergangenen Jahres soll der Anwalt die drei Mitangeklagten zu dem säumigen Schuldner geschickt haben. "Bringt mir entweder das Geld oder seine Niere", soll er den Männern mit auf den Weg gegeben haben. Thomas K. war der Kopf der Eintreiber. Der 40-Jährige ist Chef einer Detektei und Gründer des "Sicherheitsverbands Thüringen", eines Vereins, der sich ausgerechnet "Gewaltprävention" auf die Fahnen geschrieben hat. Thomas K. ist wie seine beiden Helfer geständig. "Ich übernehme die volle Verantwortung", sagt er.

Er habe mit Anwalt Klaus S. mehrfach in dessen Kanzlei gesprochen. "Er drängte mich sehr, wir sollten einen gewissen Druck ausüben", sagt er. Wie dieser Druck aussehen sollte, hakt der Richter nach. "Er sagte, man kann dem auch die Knochen brechen oder auch die Niere rausschneiden. Es war unmissverständlich."

Durch Gipsbein behindert

Thomas K., Peter M., 53, und Ingomar W., 30, fuhren also zu dem Studio. Mit dabei hatten sie einen Elektroschocker und einen so genannten Tonfa, ein Schlagstock, den auch die US-Polizei einsetzt. Thomas K. wartete im Auto, Ingomar W. stand Schmiere und Peter M. übernahm die Rolle des Eintreibers. Der Anklage zufolge würgte und schlug er den Studiobetreiber, der "Todesangst" ausstand und sich wegen eines Gipsbeins weder wehren noch flüchten konnte. Peter M. soll auch den Elektroschocker eingesetzt haben, bevor er das Büro verließ.

Das brutale Inkasso-Team, vertreten von den Anwälten Michael Adams, Hartmut Girshausen und Johannes Wittmann, ist angeklagt wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung. Ihnen drohen mehrere Jahre Haft. Anwalt Klaus S. wird Anstiftung zu dem Verbrechen vorgeworfen. Er verweigert bislang eine Aussage. Einer seiner beiden Verteidiger ist Sozius in der Kanzlei.

Besetzung des Gerichts bemängelt

Die Anwälte rügten gestern zunächst die Besetzung des Gerichts. Sie bemängelten, dass die Kammer nur mit zwei anstatt drei Berufsrichtern besetzt sei. Es gehe um komplizierte zivilrechtliche Ansprüche ihres Mandanten gegenüber dem Studiobesitzer, und dafür sei die Besetzung "nicht geeignet".

Richter Reinhold Baier ließ die beiden Verteidiger jedoch abblitzen. Auch mit zwei Richtern könnten die zivilrechtlichen Fragen "sachgerecht" gelöst werden. Im übrigen würden Richter in Bayern sowohl im Straf- als auch im Zivilrecht ausgebildet werden. Der Prozess wird sich möglicherweise über mehrere Wochen hinwegziehen.

© SZ vom 02.08.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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