Vom Kartenabreißer zum Kinomacher:Politur fürs Cadillac

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Der junge Münchner Jonathan Rosenwanger übernimmt die legendären Kinos des Klatschkolumnisten Michael Graeter.

Christina Warta

Der 41-er Cadillac mit der feuerwehrroten Lackierung steht natürlich immer noch im Foyer: riesig, glänzend, mondän, ein Symbol für eine andere Zeit. Er dient zwar nicht mehr als Kassenhäuschen, und unter der Haube hat er keine einzige Pferdestärke. "Der Motor liegt im Keller", sagt Jonathan Rosenwanger vergnügt, "der Wagen wäre sonst zu schwer." Aber um nichts in der Welt würde sich Rosenwanger von diesem roten Prachtstück trennen - er hat den Wagen schließlich gerade erst gekauft.

Jonathan Rosenwanger hat die Kinos am Rosenkavalierplatz übernommen. Der 30-Jährige hat nicht nur die Kinosäle und das Foyer, sondern auch das Programm etwas aufgefrischt. (Foto: Foto: Andreas Heddergott)

Der Oldtimer gehört, ebenso wie die Bar, die Jukebox, die Vorführgeräte und die 300 Kinosessel in den beiden Sälen, zum Inventar der legendären "Cadillac & Veranda Kinos". Der Klatschkolumnist Michael Graeter hatte sich in den achtziger Jahren auch als Kinobetreiber versucht.

Am Rosenkavalierplatz ließ er sich zwei Kinosäle als silbrig-glänzenden, in Neonfarben blinkenden amerikanischen Traum einrichten: Der größere ist wie der überdimensionale Innenraum eines Autos gestaltet, inklusive Fensterkurbeln und Rückspiegel, der kleinere wie eine lauschige Veranda mit Holzbalustrade. Graeter zeigt dort schon lange keine Filme mehr, als Unternehmer agierte er eher unglücklich und wurde Anfang dieses Jahres sogar verhaftet, weil er, 2002 verurteilt wegen Insolvenzverschleppung, gegen die Bewährungsauflagen verstoßen hatte.

"Ich wollte zurück zum traditionellen Kino"

Die beiden Kinos betreibt nun Jonathan Rosenwanger. Er sitzt im Foyer auf einem der roten Korbstühle und grinst bubenhaft. "So ein Kino zu betreiben, das wollte ich schon länger", sagt er, "das war immer ein Traum von mir." Mit Graeter hat Rosenwanger nichts mehr zu schaffen, finanzielle Nachwirkungen aus dessen Zeit gebe es keine für ihn, und: "Ich habe ihn auch nie kennengelernt", sagt er.

Jonathan Rosenwanger ist gerade mal 30 Jahre alt und kann doch schon auf 15 Jahre Erfahrung im Kinobetrieb zurückblicken. Er hat als Kartenabreißer und Popcornmacher angefangen, "im damaligen Broadway- und jetzigen Monopol-Kino", erzählt er. Und beim Kino ist er geblieben: Erst arbeitete er in München, dann in Bremen, schließlich leitete er für die Berliner "To The Movies"-Gruppe deren Münchner Kinos am Karlstor, den Gloria-Palast - und das Cadillac & Veranda.

Drei Jahre lang versuchte er sich anschließend mit den Multiplex-Kinos. "Ich bin eingetaucht in diese Welt", sagt er, "ich wollte mir die große Seite am Kino auch einmal anschauen." Als Verantwortlicher für das "Cinestar" in Augsburg hatte er dazu ausreichend Gelegenheit - und er hat in diesen drei Jahren festgestellt, dass ihm die kleineren Kinos mit dem persönlichen Kontakt zu den Besuchern mehr liegen als Riesenkinos mit zwölf Sälen und acht Kassen. Als das Angebot seines früheren Arbeitgebers "To The Movies" kam, das Cadillac & Veranda ganz zu übernehmen, hat er nicht lange gezögert. "Ich wollte wieder zurück zum traditionellen Kino", sagt er.

Verzicht auf Horrorfilme

Dass das ehemalige Graeter-Kino ein solches ist: keine Frage. Im Foyer gibt es einen langen Tresen, an dem Popcorn, Eis und Getränke verkauft werden. Am Eingang zu den Sälen beobachtet eine Superman-Figur die Besucher. Darüber hinaus hat Jonathan Rosenwanger in den zwei Monaten seit seiner Übernahme vorsichtig renoviert: Ein neuer Teppich wurde verlegt, die Wände strahlen frisch gestrichen. Und draußen, vor dem Eingang, prangt ab Mittwoch wieder der rot-blaue Neonschriftzug - das Logo hat Rosenwanger erneuern lassen. "Wir haben viel reingesteckt, denn wir wollten das Flair unbedingt erhalten", sagt er, "das Cadillac ist einfach ein besonderes Kino."

Wie die Räume, so hat der neue Chef auch das Programm ein bisschen aufgefrischt - mit häufigeren Programmwechseln und einer Sonntagsmatinee. "Das Kino hat seine Schiene gefunden", sagt Rosenwanger. Komödien, Familienfilme, gehobene Unterhaltung und James Bond finden am Rosenkavalierplatz ihre Zuschauer. "Was wir nicht zeigen, sind Horrorfilme", sagt er.

Es ist natürlich ein finanzielles Wagnis, in Multiplex-Zeiten ein Kino mit gerade mal 100 beziehungsweise 200 Sitzplätzen zu betreiben - zumal in München, wo seit vielen Jahren kleine Kinos ums Überleben kämpfen und so manches Filmtheater am Ende doch aufgeben musste. "Die Zeit ist sicher nicht ganz einfach", sagt Rosenwanger, "aber diese Herausforderung hat für mich auch einen gewissen Reiz." Deshalb hat er die Säle für Firmenveranstaltungen geöffnet, auch Kindergeburtstage können dort gefeiert werden. "Wir haben hier Gäste, die das Persönliche suchen. Die wollen nicht das Große, Schnelllebige, Überdimensionierte."

Und so verwundert es nicht, dass der bekennende Quentin-Tarantino-Fan an diesem Mittwoch zur kleinen Eröffnungsfeier am liebsten die Filmrolle von "Cinema Paradiso" in den 35-Millimeter-Projektor eingelegt hätte - "diesen wunderbaren Film von der Liebe zum Kino", sagt Rosenwanger. Es hat nicht ganz geklappt mit dem Tornatore-Film, "Sex and the City" wird laufen und "Indiana Jones", aber auch damit kann Rosenwanger leben. "Ich mache alles - wo das Kino mich eben gerade braucht", sagt er. Und deshalb reißt Jonathan Rosenwanger manchmal auch am Eingang die Karten ab - so wie vor 15 Jahren.

© SZ vom 09.07.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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