Vier Tage nach der Jungfernfahrt:Vom Flaggschiff zum Schiffswrack

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Der nagelneue Fünf-Millionen-Katamaran "MS Starnberg" hat mit voller Fahrt die Ufermauer gerammt. 15 Fahrgäste wurden verletzt. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Von Sabine Bader

Der Aufprall war so heftig, dass die Wände des Hotels Schloss Berg am Ostufer des Starnberger Sees bebten.

Mit gestauchtem linken Rumpf, den Schaden durch eine Plane verdeckt, liegt die MS Starnberg in der Werft der Staatlichen Seenschifffahrt in Starnberg. Foto: dpa (Foto: N/A)

Nur vier Tage nach seiner Jungfernfahrt hat der nagelneue Katamaran "MS Starnberg", das Flaggschiff der Bayerischen Seenschifffahrt, gestern Vormittag mit 141 Passagieren an Bord die Ufermauer des Luxushotels gerammt.

Bei dem Unfall sind mehr Menschen verletzt worden als zunächst angenommen. Eine Sprecherin der Polizei Fürstenfeldbruck erklärte, dass bei dem missglückten Wendemanöver insgesamt 22 Passagiere Verletzungen erlitten.

Zehn davon wurden in umliegende Krankenhäuser gebracht, zwölf wurden von den Rettungskräften vor Ort versorgt. Schwer verletzt wurde aber niemand.

Ungebremst gegen Beton

Das Schiff war planmäßig um 10.35 Uhr in Starnberg gestartet. Bereits elf Minuten später, an der ersten Anlegestelle, endete die Fahrt jäh. "Kurz vor dem Steg hat der Dampfer plötzlich seinen Kurs geändert und ist — ohne an Fahrt zu verlieren — frontal gegen die Betonmauer geprallt. Die Schiffsschraube hat sich nach dem Unfall noch gedreht", erzählt ein Augenzeuge.

Fahrgäste warfen sich auf den Boden

Auch dem Kapitän muss die Ausweglosigkeit der Situation bewusst gewesen sein. Sekunden vor dem Aufprall jedenfalls erschallte aus den Lautsprechern an Bord der Warnruf: "Achtung festhalten!" Dann flogen Gläser, Teller, Stühle und Tische; Fahrgäste stürzten, andere warfen sich auf dem Boden.

"Alles ist durch die Luft geflogen", berichtet die 14-jährige Anja. Sie gehört einer Gruppe von Achtklässlern des Dante-Gymnasiums in München an, die gemeinsam mit Austauschschülern aus England einen Ausflug zum Buchheim-Museum nach Bernried am Westufer des Starnberger Sees machen wollte.

Über einen der Schiffsrümpfe, der sich in der Kaimauer verkeilt hatte, bargen die Rettungskräfte von BRK, THW und Feuerwehr die Passagiere. Die unverletzten Fahrgäste wurden mit Bussen zurück nach Starnberg gebracht.

Schiffskapitän unter Schock

Der Kapitän des Unglücksschiffs erlitt einen Schock und wurde noch am Unfallort von Kräften eines Kriseninterventionsteams psychologisch betreut. Günter E. gilt als sehr erfahren, seit vielen Jahren steuert der 43-Jährige die Schiffe auf dem Starnberger See.

Für die Weiß-Blaue-Flotte bedeutet die Havarie mehr als nur einen Imageschaden. Der neue Katamaran war seit Monaten ausgebucht: Firmenfeste, Geburtstagsfeiern und vor allem Brautpaare hatten sich angemeldet.

Die Reparatur des 56 Meter langen Schiffs wird wohl einen Monat dauern. Ein Gutachter ist eingeschaltet. Laut Kripo beläuft sich der Schaden an Schiff und Kaimauer wohl auf mehrere hunderttausend Euro.

Staatsanwalt ist eingeschaltet

Einen Tag nach dem schweren Schiffsunfall hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen. Es werde wegen fahrlässiger Körper-verletzung gegen Unbekannt ermittelt, sagte Eduard Mayer von der Staatsanwaltschaft München II.

Bisherigen Ermittlungen von Polizei und Staatsanwalt zufolge gab es am Schiff einen technischen Defekt in der Elektronik. Sachverständige vom TÜV Südbayern prüfen derzeit, inwieweit dieser Defekt unfallursächlich war. Es sei noch nicht klar, ob der Kapitän eine Mitschuld an dem Unfall hatte.

Regressforderungen nicht ausgeschlossen

Das fünf Millionen Euro teure Luxus-Schiff wurde in der Lux-Werft in Niederkassel gebaut. Die Endmontage fand auf dem Werftgelände in Starnberg statt. Laut Walter Stürzl, Geschäftsführer der Bayerischen Seenschifffahrt, war auch ein Konstrukteur der Lux-Werft mit an Bord — eigentlich eine reine Routinekontrolle, wie sie bei neuen Schiffen üblich ist.

"Im Nachhinein bin ich darüber aber sehr dankbar", sagte Stürzl, der mögliche Regressforderungen nicht ausschließen wollte. Vor zwei Jahren war der Schaufelraddampfer "Herrsching" auf dem Ammersee wegen mehrerer Havarien in die Schlagzeilen geraten — er stammt ebenfalls aus der Lux-Werft.

© SZ vom 14.05.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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