Vesper im Liebfrauendom:"In Jesus zeltet Gott unter uns"

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Mit der Bitte, in der Familie mehr zu beten und den Glauben weiterzutragen, wandte sich Papst Benedikt in der Münchner Frauenkirche an die Gläubigen.

Von Violetta Simon

Lange hat der Papst gebraucht, um sich den Weg durch die Menschentraube vor dem Liebfrauendom zu bahnen. Trotz des straffen Zeitplans - und entgegen des Protokolls - nimmt er sich immer wieder Zeit für ein Händeschütteln oder ein kurzes Gespräch. Nun, endlich, hat er hat den Dom betreten. Die Orgel setzt ein, die Gläubigen applaudieren, Blitzlichtgewitter umgibt ihn.

Bereits Stunden zuvor waren hunderte Menschen in die Frauenkirche geströmt, um sich einen Platz zu sichern. Zuvor mussten sie jedoch mehrere scharfe Kontrollen durchlaufen - rund um den Domplatz herrschte Sicherheitsstufe eins.

Sein erster Weg führt Benedikt XVI. in die Sakramentskapelle zu einem stillen Gebet, wo er die Gräber seiner Vorgänger Kardinal Michael Faulhaber, der ihn 1951 zum Priester weihte, und Kardinal Julius Döpfner, dessen Nachfolger er als Erzbischof von München und Freising war, besucht - ein Brauch, den der Papst bereits eingeführt hatte, als er noch Kardinal Ratzinger war.

Kardinal Wetter begrüßt Benedikt XVI. anschließend zur Vesper, zu der junge Familien mit Kommunionskindern, Katecheten und Religionslehrer eingeladen sind. Wetter ruft die Gläubigen auf: "Seien wir Kirche, seien wir alle Mitarbeiter der Wahrheit, seien wir eins und seien wir alle Prediger der Gebete des Herrn!"

Die zentralen Themen der Vesper sind: Glaubensstärkung, christliche Erziehung und Familie. Dieses Anliegen wird deutlich in der Predigt, mit der sich Benedikt XVI. an die Kommunionkindern wendet: "Gott ist nicht weit weg von uns irgendwo im fernen Weltraum, wo keiner hinkann - er hat sein Zelt aufgeschlagen bei uns". Er faltet die Hände, beugt sich nach vorne und unterstreicht seine Worte: "Jetzt noch einmal: In Jesus zeltet Gott unter uns."

Der Papst wünscht sich von den Kindern, Menschen "der Wahrheit und der Güte" zu werden. Mit der Bitte, ihren Kindern "beim Glauben zu helfen", spricht er die Eltern an: "Geht mit Euren Kindern in die Kirche! Es hält die Familie zusammen und gibt ihr einen Mittelpunkt. Der Sonntag wird schöner, die ganze Woche wird schöner. Beten führt uns nicht nur zu Gott, sondern zueinander."

Trotz der feierlichen Zeremonie herrscht während dem gesamten Gottesdienst eine gelöste, beinahe fröhliche Stimmung. Als der Papst schließlich die Abendmesse beendet und die Sakristei aufsucht, um die liturgischen Gewänder abzulegen, wird sein Weg erneut erschwert durch Gläubige, die ihm applaudieren und die Nähe zum ihm suchen.

Auch nachdem Benedikt XVI. den Dom verlassen hat, nimmt er sich Zeit, begibt er sich ein weiteres Mal in die wartende Menge, um Hände zu schütteln, Kinder zu segnen und ein paar Worte zu wechseln.

Die Glocken des Liebfrauendoms läuten noch, als der Papst bereits in seinem Papamobil durch die Fußgänger Zone Richtung bischöfliches Palais fährt. Auffallend oft hört man heute von seinen Wegbegleitern, sie hätten den Pontifex schon lange nicht mehr so gelöst gesehen. Vielleicht mag das der Grund sein, dass das päpstliche Gefährt an diesem Abend nicht ganz so schnell an den Wartenden vorbeirollt wie gewöhnlich.

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