Verkehr:Münchner Bahn-Chefs geraten unter Druck

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Die CSU verlangt "andere Manager", die SPD spricht von Verhöhnung der Kunden - und die DB gibt sich zerknirscht

Dominik Hutter

(SZ vom 16.03.2000) - So hat man sich bei der Bahn die Woche wohl nicht vorgestellt: Erst werden in einer groß angelegten Entschuldigungs-Aktion 60 000 Gratis-Tickets verteilt - und zwei Tage später muss das S-Bahn-Angebot wegen Fahrermangels eingeschränkt werden. Da die Pannen-Serie offenbar nicht enden will, ist nun auch der Vorstand der zuständigen DB Regio in die Schusslinie geraten.

Joachim Haedke, verkehrspolitischer Sprecher der Münchner CSU, fordert gestern "den Einsatz anderer Manager". Fakt sei, dass sich kein anderes Unternehmen solche Missstände leisten könne.

Zudem müsse der Freistaat über schärfere Strafen für Bahn-Negativleistungen nachdenken, verlangt Haedke. Die bislang von Verkehrsminister Otto Wiesheu einbehaltenen 14 Millionen Mark reichten offenbar noch nicht aus.

Kritik hagelte es auch von der SPD-Stadtratsfraktion, die dem Bahn-Vorstand vorwarf, seine Kunden zu verhöhnen. Die nun auftretenden Engpässe seien kein unerwarteter Schicksalsschlag, sondern eine "bewusst in Kauf genommene Katastrophe". Bahn und Freistaat hätten die S-Bahn "jahrzehntelang in unverantwortlicher Weise kaputtgespart."

Wie berichtet, musste die Bahn am Mittwoch zugeben, dass auf 605 Stellen derzeit nur 495 Lokführer arbeiten - 46 sind krank, und 65 Arbeitsplätze sind unbesetzt. Bis Freitagmittag rollen deshalb im Berufsverkehr verkürzte Züge. 15 Mitarbeiter, die sonst mit An- und Abkoppeln zusätzlicher Waggons beschäftigt sind, mussten in die Bresche springen.

Zerknirscht zeigt sich DB-Regionalbereichsleiter Manfred Meier, der am Montag noch "Bayern-Tickets" verschenkt hatte. Zwar gebe es schon seit 1998 zu wenig S-Bahn-Fahrer - mit dem Ausmaß des nun eingetretenen Engpasses habe man aber nicht rechnen können.

Meier macht keinen Hehl daraus, dass die S-Bahn augenblicklich in einer prekären Situation steckt. "Das wird sich im Laufe des Jahres 2000 konsolidieren", hofft der DB-Manager. Monatlich schlössen 12 bis 15 Jung-Lokomotivführer ihre Ausbildung ab.

Hauptproblem bei der Münchner S-Bahn ist allerdings weniger der Nachwuchsmangel als die hohe Fluktuation. Jedes Jahr kehre eine hohe Zahl von Mitarbeitern der Münchner S-Bahn den Rücken, berichtet Meier. Das hat unterschiedliche Gründe: So ist mit rund 1950 Mark netto (ohne Zulagen) der Verdienst nicht eben fürstlich - vor allem, wenn man im teuren München wohnt. Allerdings hat die Bahn inzwischen eine übertarifliche München-Zulage von 200 Mark gewährt, zudem steigt das Gehalt ab 1. Juli auf etwa 2400 Mark netto - mit Zulagen auf 3000.

Dennoch gehört S-Bahn-Fahren nicht eben zu den Hauptattraktionen des Lokführer-Daseins. "Für viele fällt das unter die Kategorie Straßenbahn", berichtet Meier. Ein Arbeitsplatz im schnittigen ICE-Cockpit sei deutlich begehrter.

Dass auch die Arbeitsbedingungen ein Grund für die vielen Kündigungen sind, weist Meier zurück. Zwar sei S-Bahn-Fahren durchaus anstrengend - vor allem, wenn man fehlende Kollegen ersetzen muss. Unzumutbar sei der Job aber nicht. Für den hohen Krankenstand hat die Bahn keine Erklärung, eine konzertierte Aktion gestresster Lokführer schließt Meier aber aus.

Immerhin wurden 1999 die Ausbildungskapazitäten verdoppelt. Seitdem können jährlich 133 Leute geschult werden. Ob die aber am Ball bleiben, ist fraglich - laut Meier gibt es in der boomenden Landeshauptstadt einfach zu viele gutbezahlte Alternativ-Jobs.

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