Vergünstigungen:Ein Stadtrat ist immer im Dienst

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Stadträte bekommen Freikarten für Tierpark, Theater und Stadion nur, um der Kontrollpflicht nachzukommen, sagt die Stadt. Die Linke ist empört.

J. Bielicki

Brigitte Wolf hält sich "nicht wirklich" für einen Fußballfan. "Eigentlich gar nicht", sagt die Stadträtin der Linken. Aber das ist nicht der Grund, weshalb sie die Dauerkarte für das Fröttmaninger Stadion, die sie in der Post der drei Stadtratsliste fand, wieder an die Stadt zurückgeschickt hat. Für "juristisch fragwürdig" hält sie, dass Stadträte auf diese Weise kostenlos ins Stadion kommen. Und sie hat eine offizielle Anfrage gestellt, was denn Stadträte sonst noch an Vergünstigungen von den Beteiligungsunternehmen der Stadt bekämen.

Baden frei, Arena-Besuch ohne Eintritt, unentgeltlicher Besuch im Zoo, Hochkultur kostenlos - für Stadträte muss das Leben nicht teuer sein. Die Frage ist: Sind all die Vergünstigungen dienstlich begründet? (Foto: Foto: Getty)

Die Antwort, die Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) ihr schriftlich gab, listete knapp auf, wo Stadträte hinein dürfen, ohne zu zahlen. "Das ist alles seit Jahrzehnten bekannt", sagt Ude, "wir haben nie ein Geheimnis daraus gemacht." Freilich traf die Stadt die Anfrage der Linken nicht zur günstigsten Zeit, hat sie doch gerade ihren Angestellten äußerste Zurückhaltung bei der Annahme von Trinkgeldern und Geschenken verordnet.

Brigitte Wolf jedenfalls wusste bislang nur wenig von dem, was ihr zusteht. Für das Stadion etwa erhält die Stadt, der das Grundstück gehört, auf dem die Arena steht, vertraglich 56 Dauerkarten. Davon gehen 35 an den Stadtrat, und zwar an die Fraktionen und Gruppen. Den Rest bekommen die Referate der Verwaltung, die für Sport, Grundstücke und Sicherheit zuständig sind - und manchmal offizielle Gäste, denen nach einem Fußballspiel zumute ist.

Auch ehrenamtlichen Helfern, die bei der Fußball-WM, beim Besuch des Papstes oder beim Stadtgeburtstag am Werk waren, hat die Stadt Eintrittskarten überlassen. Der Stadionbesuch zähle zudem, so heißt es in Udes Antwort, "zur Wahrnehmung der Kontrollpflichten" - und sei darum nicht als geldwerter Vorteil zu versteuern.

Mit dem Argument, dass der Stadtrat auch kontrollieren muss, was er mit Steuergeld bezahlt, begründet die Stadt auch den freien Zutritt, den die Räte anderswo genießen. Da gibt es etwa den so genannten "Feuerwehrsicherheitsdienst", für den die Theater der Stadt - nicht nur die städtischen, auch die staatlichen - bei jeder Aufführung zwei Plätze für Vertreter des Rates freihalten. Nur bei Premieren dürfen die Räte ihrer Kontrollpflicht nicht nachkommen. In der Philharmonie sind dafür sogar vier Plätze belegt, nur ausgerechnet nicht bei Konzerten der stadteigenen Münchner Philharmoniker.

Stadträte dürfen kostenlos in den Tierpark oder in den Olympiapark, sie dürfen sich in städtischen Bädern fit halten und in Saunen schwitzen. Wer im Aufsichtsrat der Münchner Verkehrsgesellschaft sitzt, kann mit einem Jahresfreifahrtausweis mit U-Bahn, Tram und Bus fahren, das aber ausschließlich dienstlich. "Natürlich", spottet Wolf, "ist ein Stadtrat immer im Dienst."

Vehement verteidigt dagegen der Oberbürgermeister die Praxis. Die Freikarten, die den ehrenamtlichen Stadträten zusätzlich zu ihren monatlich knapp 2000 Euro Aufwandsentschädigung zustehen, "sind keine Privilegien". Ude: "Wir verlangen doch, dass die Stadträte öffentliche Präsenz zeigen und wissen, was im öffentlichen Leben vor sich geht. Dann muss man ihnen das auch ermöglichen", erklärte er der SZ und warf den Linken vor, mit ihrer Kritik "Vorurteile gegen Politiker zu bedienen".

Davon, dass die ehrenamtlichen Stadträte sich viel mehr auf Bürgerversammlungen und anderen Terminen zeigten, "die wirklich nicht vergnügungssteuerpflichtig sind", sei dagegen nicht die Rede. Tatsächlich ist nicht einmal klar, wie sehr die Stadträte auch nutzen, was ihnen zusteht. Aufzeichnungen darüber, ob und welche Räte die Freikarten in Anspruch nehmen, führt die Stadt nämlich nicht.

© SZ vom 11.12.2008/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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