Vergewaltigung und Mord:Der eiskalte Täter

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Vergewaltigung am Brauneck, Mord im Kaltenbrunner Schlag: Zwei spektakuläre Kriminalfälle sind immer noch ungelöst - die zwei Sokos entdecken immer mehr Parallelen.

Susi Wimmer

Gerhard Roider ist ein Mann, der weiß, was er will. Keine Effekthascherei, keine großen Sprüche. Was für ihn zählt, sind Fakten. Nur ein einziges Mal zeigt er Emotionen. "Wir machen weiter", sagt er kämpferisch, "so lange es geht." Auch Bernd Putzer sieht sich nicht am Ende mit seinem Ermittlungslatein. "Wir kriegen ihn, ich geb' nicht auf", versichert er. Was Roider und Putzer verbindet, ist nicht nur ihre Ausdauer.

Das Phantombild eines Verdächtigen im Egmatinger Fall, rechts des Täters vom Brauneck. (Foto: Foto: Polizei/oh)

Beide sind Kripo-Chefs, der eine in Weilheim, der andere in Erding, beide leiten Sonderkommissionen, beide sind betraut mit spektakulären Kriminalfällen. Und es könnte sogar sein, dass Roider und Putzer hinter ein- und demselben Täter herjagen: Denn der Fall der vergewaltigten 67-jährigen Münchnerin am Brauneck von 2006 weist frappante Parallelen zum Mord an der 73-jährigen Münchnerin im Egmatinger Forst in diesem Sommer auf.

Die PC-Arbeitsplätze sind im Kreisrund aufgestellt, "Soko Kaltenbrunn" steht auf einer Tafel, an den Pinnwänden Landkarten vom Egmatinger Forst, Tatortfotos, Bilder des Opfers. Hier, bei der Kripo in Erding, laufen die Informationen zum Fall Luise Z. ein. Auf der Landkarte ist abgesteckt, wo die agile Wanderin am Sonntag des 7. Juni 2009 zuletzt gesehen wurde, wo der Täter sie angegriffen haben muss und wo man 14 Tage später ihre Leiche fand.

Aktuell fahndet die Soko mit einem Phantombild nach einem Mann, der am Tattag von einem Reiter im Egmatinger Forst gesehen wurde und der, nachdem der Reiter gegrüßt, sofort sein Gesicht weggedreht hatte. 18 Hinweise sind zu dem Bild eingegangen, "die werden jetzt ausgewertet", sagt Roider.

An jenem 7. Juni wollte die 73-jährige Luise Z. an einer Veranstaltung der Wanderfalken Dürrnhaar teilnehmen. Sie besuchte morgens den Gottesdienst in Neuperlach, sah dort eine Bekannte und erzählte ihr, dass sie schon am Samstag draußen beim Wandern war und heute die Zehn-Kilometer-Strecke marschieren wolle.

Mit der S-Bahn fuhr Luise Z. bis Aying und traf gegen Mittag am Brauereiparkplatz auf die letzten Wanderer, die sich auf die Strecke begeben wollten. Luise Z. war nicht kontaktscheu, ging aber lieber alleine. Wenig später, so glaubt sich ein Paar zu erinnern, machte die 73-Jährige an der ersten Kontrollstelle bei Egmating Rast und trank Tee.

"Reine Vermutungen"

Was dann geschah? Gerhard Roider zuckt mit den Schultern: "Reine Vermutungen." Von der Kontrollstelle aus führt parallel zum markierten Wanderweg ein gut ausgebauter Forstweg. Den muss Luise Z. eingeschlagen haben. Warum verließ sie den Wanderweg? War sie dort schon ihrem Mörder begegnet? Oder hatte der Mann - wie bei der Wanderin am Brauneck - die Wegweiser umgesteckt, um die Frau zu einem entlegenen Fleck zu führen?

Wie auch im Fall Brauneck muss sich der Täter gut ausgekannt haben: Am Leitenberg (Brauneck) führte er die 67-Jährige auf ein schwer zugängliches Hochplateau, im Kaltenbrunner Schlag schien der zunächst breite Forstweg plötzlich im Hochwald zu enden. Genau in dieser vermeintlichen Sackgasse griff der Täter Luise Z. an, dabei verlor sie ihre Sonnenbrille. Vermutlich riss er ihr die Kleider vom Leib, denn an dieser Stelle fand die Spurensicherung Knöpfe ihrer Wanderbluse.

Ob die 73-Jährige vergewaltigt wurde, ist unklar. Schließlich schleifte der Täter die Frau etwa 70 Meter weit zu einer Stelle, an der sich im Waldboden eine Mulde öffnet. Dort legte er die Leiche ab. Genau im Zentrum des Rundwanderweges, völlig unbeobachtet und trotzdem nur wenige hundert Meter von der Staatsstraße 2081 entfernt.

Auch im Fall Brauneck hatte der Täter vorgesorgt. Er kannte nicht nur die Örtlichkeit, er hatte Handschellen und Klebeband dabei, um sein Opfer zu fesseln. Der Mörder von Kaltenbrunn war ebenfalls vorbereitet und peinlich bedacht, keine Spuren zu hinterlassen. Die Leiche von Luise Z. war nackt, Kleidung und Rucksack waren verschwunden. Und der Täter hatte versucht, durch das Anzünden des Körpers Spuren zu vernichten. War er so gut vorbereitet, dass er Hilfsmittel dabei hatte? Roider schweigt.

Ein Täter, der intelligent und eiskalt planend agiert, ein Täter, der am Wochenende auf Wanderinnen losgeht, die älter, klein und zierlich sind, sie in entlegene Ecken lockt, möglicherweise sexuell motiviert ist und im Freien seine Opfer quält. In beiden Fällen beschreiben Zeugen den Täter, beziehungsweise Verdächtigen, als etwa 45 Jahre alt, 1,75 Meter groß, dunkelhaarig, hager.

Drei Jahre liegen zwischen der Vergewaltigung am Brauneck, bei dem das Opfer überlebte und bis heute schwer traumatisiert ist, und dem Mord im Egmatinger Forst.

"Keine Beweise"

"Es gibt keine objektive Verbindung zwischen den Fällen", sagt Kripo-Leiter Roider klipp und klar. Aus diesem Grund schließe man die beiden Sonderkommissionen nicht zusammen. Aber natürlich war die Soko Kaltenbrunn zu Besuch am Brauneck und hat den Tatort am Leitenberg begutachtet. Und man pflege engen Kontakt mit der Soko Leitenberg. Selbst die Profiler, die von der Vorgehensweise der Täter Schlüsse auf sein Profil ziehen, sehen Parallelen.

"Mögliche Parallelen", schiebt Roider ein, "aber keine Beweise." Man untersuche auch andere, ähnlich gelagerte Fälle: Vor drei Jahren etwa wurde im Niederbayerischen eine ältere Schwammerlsucherin vergewaltigt, aber die Vorgehensweise sei eine andere gewesen. Momentan überprüfe man, ob der Fall der in München lebenden Griechin Zouzouna I. in das Schema des Täters passen könnte: Die Frau war vor zwei Jahren verschwunden, unlängst entdeckte man ihre skelettierte Leiche bei Karlsfeld, abgelegt in einer Mulde.

Im Fall Brauneck konnte die Polizei die DNS des Täters sichern. "Sollte der Mann nochmal in Erscheinung treten, und sei es als Ladendieb, haben wir ihn", sagt Bernd Putzer von der Soko Leitenberg. Bei dem Mord in Kaltenbrunn hat der Täter verbissen versucht, keine DNS zu hinterlassen. Noch konnte die Kripo kein Genmuster extrahieren, "aber die technischen Möglichkeiten werden immer besser", ist Roider zuversichtlich.

830 Hinweise und 9424 überprüfte Personen im Fall Leitenberg. 300 Hinweise für die Soko in Kaltenbrunn. "Jetzt werden zum dritten Mal alle 530 Teilnehmer der Wanderung am 6. und 7. Juni von uns befragt und mit dem Phantombild konfrontiert", erzählt Roider. Ein Ende der Ermittlungen ist nicht abzusehen.

Am Mittwoch berichtet "Aktenzeichen XY ... ungelöst" um 20.15 Uhr im ZDF über den Mord an Luise Z.

© SZ vom 11.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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