Umweltzone:Verhaltene Jagd auf Plakettensünder

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Noch ein Monat bis zur Umweltzone. Wer ohne Abgas-Wapperl unterwegs ist, muss aber erst einmal keine städtischen Kontrolleure fürchten.

Dominik Hutter

Einen Monat noch, dann kann sich die Innenstadt mit einem neuen Beiwort schmücken: Umweltzone. Wie jetzt schon in Berlin, Hannover, Stuttgart oder Köln dürfen innerhalb des Mittleren Rings von Oktober an nur noch Autos mit Umweltplakette oder Ausnahmegenehmigung herumdüsen. Im Kreisverwaltungsreferat gibt es jedoch Zweifel, dass die Zone effektiv kontrolliert werden kann. Erst einmal müsse die Rechtslage geändert werden.

Die Polizei will im fließenden Verkehr die Plaketten kontrollieren. Extra Schwerpunktaktionen seien jedoch nicht geplant. (Foto: Foto: ddp)

"Die Umweltzone lässt sich nur über den ruhenden Verkehr kontrollieren" - davon ist Karl Thiem von der Verkehrsabteilung des Kreisverwaltungsreferats (KVR) überzeugt. Heißt: Weniger auf den Fahrspuren als an den Parkstreifen und -buchten müsste nachgeprüft werden, ob an den Windschutzscheiben der Autos vorschriftsgemäß ein Abgas-Wapperl prangt. Ähnlich gehen die Ordnungshüter in Berlin vor, die im ersten halben Jahr der dortigen Umweltzone schon fast 16.000 Plakettensünder zur Kasse gebeten haben.

Aus der Prozesshansl-Perspektive ist dieses Prinzip allerdings angreifbar: Denn die Straßenverkehrsordnung sanktioniert streng genommen nur plakettenloses Fahren, nicht aber plakettenloses Parken in einer Umweltzone. "Wir warten deshalb erst einmal ab und verzichten auf Kontrollen", berichtet Thiem. Denn die kommunalen Verkehrsschandis dürfen sich - anders als die Polizei - nur geparkte Autos vorknöpfen.

Ein Freibrief für notorische Wapperl-Verweigerer ist dies freilich nicht. Denn Stadt und Polizei haben ohnehin angekündigt, in den ersten drei Monaten ein Auge zuzudrücken und keine Strafe zu verhängen - immerhin 40Euro und ein Punkt in Flensburg. Und im Frühjahr 2009, so hofft Thiem, ist dann auch die Straßenverkehrsordnung entsprechend geändert, positive Signale gebe es bereits.

Falls sich das Ganze in Berlin verzögert, muss die Stadt allerdings überlegen, ob sie trotz der juristischen Unsicherheit ihre kommunalen Kontrolleure mit der Wapperlschau beauftragt. Bei der Polizei gibt es übrigens derlei Bedenken nicht. Die Beamten wollen in jedem Fall im Januar loslegen.

Auch nach einer Novellierung der Straßenverkehrsordnung bleibt jedoch ein grundlegendes Problem bestehen: Bei parkenden Autos lässt sich zumeist nur der Halter, nicht aber der Fahrer feststellen. Und der verweigert in solchen Fällen gerne die Aussage. Wohin also mit der anonymen Ordnungswidrigkeit - man kann ja dem Autobesitzer nicht einfach die Flensburger Punkte eines bösen Unbekannten aufhalsen?

Thiem fürchtet, dass dieser Streit zumeist mit einer Bearbeitungsgebühr von 15 Euro endet, zu bezahlen vom Halter. "Das deckt aber bei weitem nicht den Verwaltungsaufwand". Michael Reisch vom Polizeipräsidium München warnt aber die Autofahrer davor, dieses Schlupfloch zu überstrapazieren. "Im wiederholten Fall muss ein Fahrtenbuch geführt werden". Allerdings ist Thiem zufolge noch nicht abschließend geklärt, ob das Vergehen für diese doch relativ strenge Maßnahme gravierend genug ist.

Die Polizei will deshalb auch im fließenden Verkehr die Plaketten kontrollieren. Extra Schwerpunktaktionen seien jedoch nicht geplant. "Das läuft im normalen Streifendienst mit", berichtet Reisch. Höchste Priorität genießt die Umweltzone freilich nicht unter Münchens Ordnungshütern, das räumt Reisch offen ein. Unfallaufnahmen oder die Kontrolle von Unfallschwerpunkten und Gefahrenstellen - etwa vor Schulen und Kindergärten - hätten klar Vorrang.

Schuld daran ist das Computersystem

Für die allermeisten Münchner wäre ein Katz-und-Maus-Spiel mit Polizei und Stadtverwaltung ohnehin unsinnig. Laut Thomas Holz, dem Chef der Zulassungsstelle, sind rund 650.000 in München registrierte Fahrzeuge "plakettenfähig", erfüllen also die Abgas-Mindestanforderungen der Umweltzone. Durchfallgefährdet sind lediglich rund 35.000 Stinker, von denen aber viele nachrüstbar sein dürften.

Etwas besorgt ist das KVR über den derzeit etwas schleppenden Verkauf der Wapperl - schließlich steht die Einführung der Umweltzone unmittelbar bevor. Die Plaketten gibt es nicht nur bei der Zulassungsstelle, sondern auch bei allen Werkstätten, die Abgasuntersuchungen anbieten. Oder im Internet, etwa unter www.muenchen.de/umweltzone.

Das KVR kann, anders als die meisten anderen deutschen Zulassungsstellen, lediglich für die in München registrierten Autos Wapperl vergeben. Schuld daran ist das interne Computersystem, das bislang nicht die Sicherheitsanforderungen für einen Zugriff auf die Daten des Kraftfahrt-Bundesamts erfüllt.

Holz hat aber einen Tipp für Autofahrer mit Berliner, Castrop-Rauxeler oder Chemnitzer Nummernschild parat: Das Landratsamt München am Mariahilfplatz vergibt Aufkleber für sämtliche deutschen Kennzeichenbesitzer. Wer ein Mailänder, Pariser oder Warschauer Nummernschild hat, findet auf den Internetseiten der Stadt Links zu den entsprechenden Online-Anbietern für ausländische Zulassungen.

© SZ vom 01.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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